Nationalrat schafft Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug ab
Der Nationalrat hat die Diskriminierung von Schweizern beim Familiennachzug aus Drittstaaten gegenüber EU/Efta-Staatsangehörigen aufgehoben.
Der Nationalrat hat am Montag die Diskriminierung von Schweizerinnen und Schweizern beim Familiennachzug aus Drittstaaten gegenüber Angehörigen von EU/Efta-Staaten gestrichen. SVP und Mitte stellten sich gegen die Vorlage. Sie befürchteten eine Einwanderung in die Sozialwerke und sahen die Verfassung verletzt.
Die Vorlage hiess der Rat mit 104 zu 86 Stimmen gut. Gegenüber EU-Efta-Bürgerinnen und Bürger schuf der Nationalrat indessen eine Ungleichheit im geänderten Gesetz: Geht es um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für die nachgezogenen Familienangehörigen, können die Behörden eine Integrationsvereinbarung verlangen.
Bei Familiennachzügen von EU/Efta-Staatsangehörigen ist gemäss dem Personenfreizügigkeitsabkommen lediglich eine Integrationsempfehlung möglich.
Voraussetzung für den Familiennachzug
Bedingung für den Familiennachzug durch Schweizerinnen und Schweizer aus Drittstaaten soll nach dem Willen des Nationalrats der dauerhafte Unterhalt der Angehörigen sein. Zudem muss diesen eine bedarfsgerechte Wohnung zur Verfügung stehen. Mit 114 zu 14 Stimmen bei 69 Enthaltungen hiess der Rat die beiden von einer bürgerlichen Kommissionsminderheit eingebrachten Punkte gut.
Die FDP-Fraktion drohte, die Vorlage ohne diese Präzisierungen abzulehnen. Weg fällt die Bedingung, dass die Angehörigen vor dem Familiennachzug über einen Aufenthaltstitel in einem EU/Efta-Staat verfügt haben müssen. Auch die Fristen sind gestrichen. Ebenso dahin fällt die Bedingung einer gemeinsamen Wohnung.
Mitte und SVP wollten die Vorlage gar nicht erst beraten. Den Nichteintretensantrag begründete Piero Marchesi (Mitte/TI) mit dem Verfassungsauftrag der Zuwanderungskontrolle. SVP-Sprecher Andreas Glarner (AG) machte geltend, man berate die Vorlage im Blindflug.
Bundesgericht fordert Gleichbehandlung
Aufgrund fehlender Zahlen wisse niemand Bescheid über mögliche Auswirkungen auf Sozialwerke und Gesundheitskosten. Seine Parteikollegin Martina Bircher (AG) vermutete, dass vor allem neu eingebürgerte Ausländerinnen und Ausländer von der Regelung profitieren und ihre betagten Eltern in die Schweiz nachholen könnten.
Kommissionssprecherin Samira Marti (SP/BL) sagte, es gehe um die Behebung einer vom Bundesgericht und vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Ungleichbehandlung. Bereits 2010 und noch einmal 2019 forderte das Bundesgericht deren Behebung.
Der gesetzgeberische Handlungsbedarf sei breit anerkannt. Dass die Vorlage die Zuwanderungskontrolle in der Verfassung verletzte, verneinte das Bundesamt für Justiz. Justizminister Beat Jans erklärte, einen Familiennachzug gebe es bei gewährleistetem Unterhalt der Angehörigen. Die Vorlage geht an den Ständerat.