Schlägt bei der SVP die Stunde der Aussenseiter?
Das Wichtigste in Kürze
- Nach vielen Absagen für die Bundesratskandidatur eröffnen sich Chancen für Aussenseiter.
- Zwei SVP-Regierungsrätinnen lassen sich auf Anfrage alle Optionen offen.
- Monika Knill und Michèle Blöchliger bringen viel Führungserfahrung mit.
Hundert Prozent Interesse für den freiwerdenden SVP-Sitz im Bundesrat gibt es einzig unter den Ständeräten der Volkspartei. Von den sechs Männern kommt aufgrund von Alter und Herkunft einzig der Berner Werner Salzmann überhaupt infrage. Und Salzmann will kandidieren, wie er gegenüber Nau.ch ankündigte.
Die meisten anderen hoch gehandelten Namen mussten mittlerweile aber wieder von den Listen gestrichen werden. Dies eröffnet Chancen für Aussenseiter, die nicht unbedingt schon auf nationaler Ebene Ämter bekleiden. Im Fokus steht derzeit der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, der sowohl SVP-intern wie -extern ins Gespräch gebracht wird. Im Fokus stehen aber vor allem auch Frauenkandidaturen, die ein Zweierticket vervollständigen könnten.
Zwei Regierungsrätinnen sind nicht abgeneigt
Solche Aussenseiterinnen mit guten Qualifikationen hätte die SVP durchaus zu bieten. Auf Anfrage bekunden gleich zwei der drei übriggebliebenen Regierungsrätinnen Interesse. Eine Absage erteilt die Glarnerin Marianne Lienhard. Sie hätte als Finanzfachfrau Ueli Maurer kompetent beerben und Glarus zum ersten Bundesratssitz seit 1878 verhelfen können.
Sollte die SVP für die Nachfolge von Ueli Maurer mindestens eine Frauenkandidatur präsentieren?
Hoffen darf aber der Kanton Thurgau, der seit 1934 keinen Bundesrat mehr stellte. Monika Knill ist seit 2008 im Thurgauer Regierungsrat und war schon drei Mal Regierungspräsidentin.
Sie lässt sich alle Optionen offen, indem sie sich «heute nicht persönlich» äussere. Die Kantonalparteien hätten ja bis am 21. Oktober Zeit, um allfällige Kandidaturen zu melden.
Noch konkreter wird Michèle Blöchliger aus dem Kanton Nidwalden. Sie scheint alles mitzubringen, was sich die SVP von einer Bundesratskandidatin wünschen würde. Aber auch alles, um in den Anhörungen der anderen Fraktionen eine gute Falle zu machen.
Holt Blöchliger den ersten Nidwaldner Bundesratssitz seit 1848?
«Ich bin von verschiedenen Personen aus meinem Umfeld schon darauf angesprochen worden, ich solle mir das doch überlegen», erzählt Blöchliger. Sie amtete vier Jahre lang als Nidwaldner Gesundheits- und Sozialdirektorin, seit Juli ist sie Finanzdirektorin. Davor sass sie 16 Jahre im Kantonsparlament, welches sie 2018 auch präsidierte.
«Ich habe deshalb Kontakt mit der Kantonalpartei aufgenommen», so Blöchliger. Offenbar wäre sie einer Bundesratskandidatur nicht abgeneigt: «Wir sind im Gespräch und sind das am Anschauen.» Der Kanton Nidwalden stellte noch kein einziges Mal einen Bundesrat. Die Zentralschweiz ist war grundsätzlich bisher untervertreten in der Landesregierung – ein weiterer Bonuspunkt für Blöchliger.
Blöchliger bezeichnet Englisch als «zweite Muttersprache», aber auch Französisch und Italienisch spreche sie fliessend. Von Beruf Rechtsanwältin, hat sie Führungserfahrung bei der UBS gesammelt und als Geschäftsführerin eines KMU. Bekannte hätten sich schon gewundert: «Wieso steht Dein Name nicht auf der Liste?»
Aussenseiterchancen dank Favoritensterben bei SVP-Promis
Die Regierungsrätinnen Blöchliger und Knill haben intakte Chancen, schlussendlich auch nominiert zu werden. Denn das Feld möglicher Kandidaten aus dem Parlament sieht langsam aber sicher dünn aus. Nationalrat Gregor Rutz will nicht, Regierungsrätin Natalie Rickli auch nicht. Milliardärin Magdalena Martullo-Blocher verzichtet ebenso wie der Berner Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg.
Letzterer hätte so oder so auch die «falsche» Muttersprache gehabt. Rund die Hälfte der 54 SVP-Nationalräte hat entweder explizit abgesagt oder wäre am Wahltag bereits über 60 Jahre alt. Bei weiteren sechs ist eine Kandidatur unwahrscheinlich, zum Beispiel infolge Mutterglücks (Umbrich Pieren), Provokationspotenzial (Köppel) oder jugendlichen Alters (Fischer).
Ausstehende Entscheide bei Rösti, Friedli & Co.
Unter den verbleibenden 20 Personen ist auch ein Albert Rösti mit intakten Chancen. Bei anderen scheint dies weniger der Fall zu sein – doch das muss nichts heissen. Denn auch der andere SVP-Bundesrat, Guy Parmelin, war als Aussenseiter angetreten.
Als «Alibi-Romand» schien er auf dem damaligen Dreierticket zu figurieren. Nur schon mit der Ankündigung seiner Kandidatur hatte er manch einen Beobachter überrascht, insbesondere in der Deutschschweiz.
Nebst Rösti wird aus dem Nationalrat auch anderen SVPlern Bundesrats-Potenzial zugeschrieben. Thomas Matter, Esther Friedli, Thomas Aeschi oder «Geheimtipp» Monika Rüegger haben sich noch nicht zu einer Kandidatur geäussert.