Fasnacht

Sei kein Narr: politisch korrekte Fasnacht

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Potenziell rassistische Fasnachtskostüme werden zum Thema. Jetzt übertreibt mal nicht. Ein Kommentar.

Fasnachtsumzug durch Thuner Altstadt 2023. Rechts hinten der Gringerat. - Thun
Fasnachtsumzug durch Thuner Altstadt 2023. Rechts hinten der Gringerat. - Thun - Nau.ch / Ueli Hiltpold

Das Wichtigste in Kürze

  • Potenziell rassistische oder diskriminierende Fasnachtskostüme werfen Fragen auf.
  • Hier kommen Antworten. Aber was war eigentlich die Frage? Ein Kommentar.

Erinnert sich noch jemand an die PC-Welle der 90er-Jahre? Nein, nicht Windows 95, welches mit Jahren Verspätung doch noch dieses sogenannte Internet entdeckte und dabei nicht einmal grüne Hügel auf dem Schreibtisch hatte. Sondern die «political correctness», die zum Ziel hatte, Minderheiten (sprachlich) nicht zu diskriminieren, insbesondere Frauen und Nicht-Weisse.

Microsoft-Gründer Bill Gates stellt in den USA das Betriebssystem Windows 95 dem Publikum vor. Foto: DB/dpa
Microsoft-Gründer Bill Gates stellt in den USA das Betriebssystem Windows 95 dem Publikum vor. Foto: DB/dpa - dpa-infocom GmbH

Falls Sie zur Generation Windows 95 gehören sollten (herzliches Beileid): Statt PC sagt man jetzt imfall «woke». Alles andere bleibt sich gleich. So gesehen wissen Sie bereits bestens Bescheid und können jetzt auch gleich mit lesen aufhören. Alles, ausser, dass die SVP jetzt die Anwaltskosten übernimmt, wenn Sie ein rassistisches Fasnachtskostüm anhaben sollten.

Kanzelpredigt

Denn diese Gefahr besteht: Dass Sie von der SVP Geld angedreht erhalten. Nämlich dann, wenn Sie ein Kostüm wählen, welches mit der Antirassismus-Strafnorm in Konflikt gerät. Das nennt man dann auf gut Deutsch Cancelkultur, oder im noch besseren Deutsch der SVP «Woke-Wahn».

migros Fasnacht
Migros und Coop verkaufen als rassistisch kritisierte Fasnachtskostüme. - Galaxus

Ich könnte jetzt freudig darauf hinweisen, dass das zweimal eine recht schlechte Alliteration sei, aber dann würden Sie wohl ausrufen: «Dem sagt man auf gut Deutsch ‹Stabreim›!», und Sie fühlen sich diskriminiert, weil Sie, als Post-Windows-95-Generation, kein Frühlatein hatten. Also lasse ich das.

Häuptling Schwarzgesicht sagen: Hau!

Aber zurück zu den an der Fasnacht drohenden Gefahren. Mit einer nachlässig ausgesuchten Verkleidung können Gefühle verletzt werden. Denn mit den, zwecks besserer Kenntlichmachung oft übertriebenen, Darstellungen anderer Personen als man selbst ist es ein Katzensprung bis zur Diskriminierung. Oder auch irgendein anderer Tiersprung; Wir wollen ja nicht unterstellen, Katzen hätten ein sprunghaftes Defizit.

Fasnacht Rassismus
Es gibt eine sehr grosse Auswahl an unbedenklichen Fasnachtskostümen. - keystone / Nau.ch

Prominentes Beispiel ist das «Blackfacing», das Schwarzgesichteln, um sich als Angehöriger einer Volksgruppe mit dunkler Hautfarbe auszugeben. Dies erinnert je nach dem an den Kolonialismus, und das jetzt, wo wir den doch beinahe schon vergessen gehabt hätten. Das Problem: Ohne Stereotype funktioniert die ganze Verkleiderei etwa so schlecht wie Stabreime mit «C» und «K».

Der Indianer, den man nur noch auf gut Deutsch so nennen darf, hat lange Haare und spricht im Infinitiv. Der Chinese trägt einen Kegelhut, sonst würde man ihn ja glatt für einen Tibeter halten. Ist das dann kulturelle Aneignung? Sagen Sie es mir, nachdem Sie verinnerlicht haben, dass der Kegelhut als Wahrzeichen für Vietnam gilt.

Die international bekannteste Schweizer Fasnacht

Doch bei genauerer Betrachtung fangen die Probleme genau hier erst an: bei der genaueren Betrachtung. Das Persiflieren, das Sich-lustig-machen-über-Andersartige, liegt in der Natur der Fasnacht. Es ist der Kern der grössten und international bekanntesten Schweizer Fasnacht, der von Luzern. Die Gesellschaft, aktuelle Ereignisse, Politiker: Sie werden aufs Korn genommen.

Luzerner Fasnacht 2020: Eine Person nimmt am Umzug teil, verkleidet als Ureinwohner Südamerikas. - Keystone

Die Diskriminierung hat dabei Tradition, aber wer interessiert sich schon für sowas. Der «Waggis», die ikonische Larve/Maske der grössten und international bekanntesten Schweizer Fascnacht, der von Basel: Reinste Abwertung. Ein Waggis ist ein Taugenichts, ein Lümmel, aber auch ein Elsässer. Mit einer überdimensionalen, vom Alkohol geröteten Nase und einer Frisur wie ein Wischmop.

Waggis Fasnachtskostüme Basler Fasnacht
Als Elsässer Lümmel, äh, Waggis in allen Variationen verkleidete Kinder an der Basler Fasnacht 2018. - Keystone

Doch kommen wir zur Bezeichnung für die grösste und international bekannteste Schweizer Fasnacht, der von Bellinzona: Rabadan. Tönt wie «Ramadan», nicht wahr? Soll also das närrische Treiben sich auf diese komischen Gesellen islamischer Religionszugehörigkeit beziehen? Die machen ja auch immer so einen Krach.

Traditionen sind auch nicht mehr wie früher

Auch wenn es uns nicht interessieren mag: Die Tradition ist relevant. Sich über die Obrigkeit, den Dorfbeck oder die Kirche zu mokieren, ging als maskierte Kunstfigur ein wenig risikofreier. Der Waggis hatte früher eine deutlich kleinere Nase, doch allein das Wort ist ja an sich schon daneben. Nur: Wer sein Kind in eine lustige Larve stopft und eine blaue Kutte überzieht, hat wohl kaum die Absicht, die Nachbarn aus Saint Louis zu beleidigen.

Finden Sie «Indianer»- und «Zigeuner»-Kostüme an der Fasnacht rassistisch?

Dass der «Rabadan» tatsächlich auf «Ramadan» zurückgeht, ist wahrscheinlich sogar falsch. Die Herleitung, dass die lombardischen Kreuzritter den fasnächtlichen Trubel so nannten, weil des Nachts während dem Ramadan gefastet wird, hat aber keinen diskriminierenden Anstrich.

Doch was machen wir jetzt mit dem Pfüdi, der sich auch mal Kriegsbemalung ins Gesicht schmieren und sich mit falschen Federn schmücken will? «Du darfst das, du bist ja erst 4»? Die Antwort ist klar: «Ich bin imfall schon 6!»

Sylvesterchläuse Appenzell
Alle Appenzeller Sylvesterchläuse sind männlich, auch die «Schönen». - Keystone

Was sagen wir dem Appenzeller, der sich partout als Frau verkleiden will? «Du darfst das, die ‹Schönen› Chläuse waren schon immer Männer, wegen dem Gewicht der Kostüme»? Die Antwort ist klar: «Das ist am Sylvester, Du Chlaus.»

Der Ton macht die Musik

Was sagen wir dem notorischen Besserwisser, der sich das Inder-Kostüm mit Turban bestellt, obwohl er nicht den im Katalog abgebildeten Teint vorweisen kann? «Haha, gehst Du im Pyjama an den Umzug»? Die Antwort ist klar: «Richtig, den das aus dem Persischen entlehnte Hindi-Wort ‹Pyjama› bedeutet ‹leichte Hose, die am Bund von einer Schnur oder einem Kummerbund zusammengehalten wird›.»

Fasnachtskostüm Hindu Dirndl Indianer
Das Internet voll von mehr oder weniger geeigneten Fasnachtskostümen. - Screenshot kids.ch/maskworld.com

Klar ist damit auch: Die Absicht zählt. Wer sich als X verkleidet, um sich über X lustig zu machen, diskriminiert X. Wer sich als Cowboy verkleidet, weil sie auch mal breitbeinig rumhumpeln wollte, bitte sehr. Wer sich als Nonne verkleidet, weil er schon immer mal die stille alte Jungfer spielen wollte, hat an der Fasnacht Gelegenheit dazu.

Wer sich als sexy Geisha/Rotkäppchen/Eskimo/Samurai/Dirndl verkleidet, weil er und/oder sie in die Genderdebatte vernarrt ist: Selber schuld. Wer sich als Ku-Klux-Klan verkleidet, weil… hat einen Dachschaden. Von dem her: Reisst Euch doch einfach zusammen. Könnt Ihr Euch nicht wenigstens während der Fasnacht mal anständig aufführen?

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