Tierversuchsverbot von Impfgegnern bekommt keine Zustimmung
Eine Volksinitiative will Tier- und Menschenversuche ganz verbieten, hatte im Nationalrat aber keine Chance. Die Absender haben zum Teil fragwürdige Ansichten.
Das Wichtigste in Kürze
- 2019 wurde eine Initiative für das Verbot von Tier- und Menschenversuchen eingereicht.
- Diese fand im Nationalrat keine Unterstützung, nicht einmal von Tierschützerinnen.
- Die Initiantinnen haben impfkritische Ansichten und einen Hang zu Verschwörungentheorien.
Wenn die grösste Tierschützerin im Parlament Meret Schneider (Grüne/ZH) eine Volksinitiative für mehr Tierschutz nicht unterstützt, dann kann das zwei verschiedene Gründe haben: Entweder, sie geht zu weit oder nicht weit genug. Bei der Initiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt» gilt Ersteres.
Diese wurde heute im Nationalrat behandelt. Die grosse Kammer lehnte das Volksanliegen einstimmig ab. Den rot-grünen Vorschlag, einen Gegenvorschlag verfassen zu wollen, wurde ebenso abgelehnt. Auch ein indirekter Gegenvorschlag für einen schrittweisen Ausstieg aus Tierversuchen – von Meret Schneider – stiess auf Widerstand.
Impf- und Kapitalismuskritische Absender
Aber von Anfang an: Seit 2013 will das Initiativkomitee sein Anliegen zur Bundeskanzlei bringen, wie er auf seiner Seite schreibt. Das Präsidium besteht aus dem Ostschweizer Doktor und Tierschutzaktivist Renato Werndli, Gründer der ersten veganen Arztpraxis in der Schweiz. Ebenfalls an Bord sind Luzia Osterwald sowie Irene Varga (ehemalige Grüne), Mitglieder der Parteifreien im Kanton St. Gallen.
Beide sind Impfgegnerinnen mit Hang zu Verschwörungstheorien. Varga zum Beispiel empfiehlt auf ihrem Profil der Parteifreien Webseite ein Video von Daniele Ganser zum Terroranschlag an 9/11. Ganser gehört zum harten Kern der Schweizer Verschwörungstheorien-Gemeinschaft. Varga hatte sich 2012 auch gegen das Tierseuchengesetz eingesetzt, aus impfkritischen Gründen.
Luzia Osterwalder hat sich selbst als Corona-Skeptikerin geoutet, ist selbsternannte «Kapitalismuskritikerin» sowie Heilpraktikerin. Anfang Juni veröffentlichte sie eine Stellungnahme zur «Pandemie», wie sie es schreibt. Diese sei nämlich als Ausrede benützt worden, damit Europa dem Flüchtlingskonflikt mit der Türkei vermeiden könne.
Und die Lockdowns seien sowieso für nichts: «Einer der Irrtümer besteht darin zu glauben, wir hätten ein Anrecht auf Gesundheit. Der liebe Gott hat bestimmt, wie lange ich auf dieser Erde verweilen darf.» Mitglied der Parteifreien ist übrigens auch der bekannte Impfgegner Daniel Trappitsch.
2019 reicht das Komitee schliesslich die Initiative ein. Sie will Tier- und Menschenversuche gänzlich verbieten. Erstere sollen sogar als «Tierquälerei bis hin zum Verbrechen» gelten. Aber nicht nur das: Handel, Import und Export von Produkten aller Branchen und Arten sollen verboten werden, «wenn für sie weiterhin Tierversuche direkt oder indirekt durchgeführt werden».
Erstversuch oder Therapieanwendung?
Ein komplettes Verbot ist es aber doch nicht. Erstanwendungen von Medikamenten oder Produkten wären zugelassen, «wenn sie im umfassenden und überwiegenden Interesse der Betroffenen (Tiere wie Menschen)» lägen. Denn das wären keine Versuche mehr, sondern eine «Therapieanwendung», wie Werndli gegenüber «SRF» im Oktober 2020 sagte.
Die Initiative hat im Parlament keine Chance, nicht einmal die Grünen stehen hinter das Anliegen. Und das hat gute Gründe. Ohne Tier- und Menschenversuche hätte die Pharmaindustrie keine Chance, schnell und effizient Impfstoffe zu entwickeln. In Zeiten einer Pandemie, die unzähligen Menschen das Leben kostete, macht diese Vorstellung vielen Angst.
Das sagen auch zahlreiche Forscher. Zum Beispiel Matthias Egger, ehemaliger Taskforce-Chef im «Tagesanzeiger». Ohne Export und Import von Medikamenten und Impfstoffen verliere die Schweiz erstens viel Geld und zweitens viel von ihrer Gesundheitsversorgung. Wie also wollen die Initiantinnen und der Initiant diese Lücke schliessen?
Andere Forschungswege erwünscht
Ganz einfach: «Es muss gewährleistet sein, dass tierversuchsfreie Ersatzansätze mindestens dieselbe staatliche Unterstützung erhalten wie vormals die Tierversuche.» Wie diese aussehen sollen, weiss das Komitee auch schon.
«Am Anfang des Prozesses soll Nachdenken und Forschung mit Zellen, Geweben, Organen, Computer und via Wissenskombination geschehen», schreiben die Mitglieder. Eben diese «Forschungswege mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt».
Die Umstellung werde nicht einfach, gestehen Werndli, Varga und Osterwald, aber sie lohne sich. Denn die Qualität der Mittel und Produkte würde steigen. «Forschung, die weiss, was sie tut, braucht keine Tier- und Menschenversuche um via Versuch und Irrtum und Glück Produkte auf den Markt peitschen zu können.»
Da ist man im Bundeshaus anderer Ansicht. Wann die Initiative vors Volk kommt, ist noch nicht klar.