Wahlen 2023: Claude Longchamp zu Wirkung von Hamas, Prämien & Klima
Aktuelle Ereignisse können die Wahlkampfmanager kaum vorhersehen. Beeinflussen sie die Wahlen 2023 noch entscheidend? Politologe Claude Longchamp ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Aktuelle Ereignisse können das Stimmverhalten entscheidend beeinflussen.
- Für die Wahlen 2023 kommen dafür etwa die Hamas oder der Prämienschock infrage.
- Politologe Claude Longchamp zur Ausgangslage im Wahlkampf-Schlussspurt.
Der Wahlkampf dauert schon seit Monaten an, die Parteien sind im Endspurt für die nationalen Wahlen 2023 am 22. Oktober. Gemäss neusten Umfragen gehören vor allem die SVP und die SP zu den Gewinnern, die Grünen aber drohen abzustürzen. Aktuelle Ereignisse könnten aber das Stimmverhalten genauso stark beeinflussen wie kampagnenstrategische Überlegungen. Nicht zuletzt die erschütternden Ereignisse in Israel in den letzten Tagen.
Eindeutig sind für den Politologen Claude Longchamp zwei Punkte: Die Hamas ist ein neues Element für die Wahlen 2023 und es ist hochemotional. Skeptisch ist er dagegen, ob sich die Wahlabsichten derart schnell entwickeln wie die öffentliche Meinung. «Eigentlich geht man davon aus, dass es eine ‹Inkubationszeit› braucht, wie man in der Medizin sagt: Es braucht einen Moment, bis sich Auswirkungen zeigen.»
SVP als alleiniger Profiteur
Das Thema müsse einerseits lange präsent sein und andererseits eines sein, bei dem sich die Parteien klar unterscheiden. Wenn er beim Israel-Krieg eine Prognose wagen solle, dann diese: «Es profitiert sicher nur die SVP.» Nachdem die Volkspartei beim Ukraine-Krieg in der Defensive gewesen sei, sei sie nun in der Offensive.
«Sie kann anführen: Wir waren die einzigen, die das schon immer gesagt haben.» Wie viel dies am Wahlsonntag ausmache, stehe auf einem anderen Blatt. «Ich glaube, das ist ziemlich wenig», überschlägt Longchamp. Bei 15 bis 20 Prozent Unentschiedenen müssten sich deren fünf Prozent umentscheiden, damit die SVP wenigstens ein Prozent mehr Stimmen habe.
Das sei dann wohl das Maximum an Effekt. «Anders gesagt, muss man sagen: Ich glaube nicht, dass dies für den Wahlentscheid ausschlaggebend ist.»
Spannung beim Thema Prämien
Thematisch gesehen am interessantesten in diesem Wahlkampf sei hingegen die Ankündigung der massiv steigenden Krankenkassenprämien gewesen. Befeuert worden sei die Debatte noch durch die Stellungnahme der Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP), die einen Systemwechsel forderte. Nach dieser Provokation hätten alle Seiten Position bezogen – ausser der SVP, die sich nicht gross geäussert habe.
«Das ganze politische Karussell ist eigentlich vorgeführt worden innert weniger Tage», betont Longchamp. Gerade weil es aber fast zu viele, sich widersprechende Vorschläge gab, dämpft der Politologe auch hier die Erwartungen.
Dominiert habe niemand: «Alle haben einfach ihr Thema präsentiert. Darum würde ich sagen: Ein Verstärker-Effekt für alle Parteien. Aber ob es eine Verschiebung in die eine oder andere Richtung gab, da bin ich eher skeptisch.»
Trotz Rekord-Herbst keine Klima-Wahl
Wieder etwas in den Vordergrund gerückt ist mit dem Herbstbeginn der Klimawandel: Nach dem Rekord-September folgt ein Oktober mit Badi-Wetter. Politologe Claude Longchamp formuliert dies hinsichtlich der Wahlen 2023 so: «Es ist ein sicher ein Thema, ein grosses Thema.» Doch sei man sich gewohnt, dass es ein grosses, wahlentscheidendes Thema sei, wie 2019.
«Dann war es ein super-grosses Thema und hat den Grünen enorm geholfen.» Nach vier Jahren Debatte im Parlament und zwei grossen Volksabstimmungen dazu – mit wechselnden Gewinnern – sei die Lage heute ausdifferenzierter. Es gehe viel mehr um «welches ist die richtige Lösung» und nicht mehr um «wir haben ein Problem».
Diesbezüglich gingen die Meinungen ja doch sehr stark auseinander. Das Thema sei nicht mehr einer Partei zuzuschreiben. «Ich würde den Einfluss auf die Wahlen 2023 durchaus sehen – aber nicht zugunsten einer einzigen Partei», so Longchamps Bilanz.