Wahlen 2023: Kann man dieses Stimmvolk noch ernst nehmen?
Tiefe Wahlbeteiligung und die Schweiz fragt Google allen Ernstes, was es mit diesem Wählen auf sich habe. Das… ist gut so? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Stimmvolk gibt manchmal kein gutes Bild ab.
- Wahlbeteiligung sosolala, keine Ahnung von nix, aber Hauptsache, darüber lustig machen.
- Doch das ist nicht prinzipiell schlecht. Ein Kommentar.
Hatten Sie neulich auch grad ein Schrecksekündchen, als es hiess, mit Wählen per Post sei es jetzt imfall höchste Eisenbahn? Ging mir so, bis mir eingefallen ist, dass mir das ja eh dauernd passiert und deswegen die Welt noch nie unterging. So ein Spaziergang zum Gemeinde-Briefkasten hat schliesslich noch niemandem geschadet. Was ich auch ganz bestimmt dann jedes Mal getan habe, grosses Stimmberechtigten-Ehrenwort.
Wahlen 2023: Schon ist 22. Oktober!
Plötzlich geht es jeweilen schnell, wobei man ja nicht behaupten könnte, man sei nicht vorgewarnt gewesen. Diverse PR-Experten machen sich ja bereits lustig über die Wahlplakate und lancieren Parodien-Kampagnen. Das ist nicht nett. Sich auch noch lustig machen über die bedauernswerten Mitmenschen, die Zeit und Geld investieren, um dann diesen Sonntag enttäuscht aus der Wäsche gucken zu können.
Die Wahlbeteiligung bewegt sich auf gutschweizerischem Mittelmass. Was im internationalen Vergleich unsere Musterdemokratie wieder einmal lausig dastehen lässt. Fürs Tüpfelchen aufs «i» sorgen die Ranglisten mit den meistgesuchten Begriffen zum Thema Wahlen 2023.
Was ist SVP, s.v.p.?
So scheinen sehr, sehr viele Leute bislang noch nie von dieser sogenannten «SVP» gehört zu haben. Jedenfalls wird die Volkspartei weitaus am häufigsten gegoogelt, obwohl sie auch weitaus am häufigsten ins Parlament gewählt wird. Dazu passt, dass im Verlauf der letzten Woche Fragen wie «Parlamentswahlen Schweiz 2023, was wird gewählt?» sich grosser Beliebtheit erfreuen. So teilt es uns jedenfalls Google mit.
Gut, dann halt: Google ist eine Suchmaschine und bei den Parlamentswahlen wird das Parlament gewählt. Voilà, schon haben Sie dank Nau.ch wieder Zeit und Geld gespart und müssen nicht enttäuscht aus der Wäsche gucken. Und ein Parlament, das sind diese Leute, über die Sie sich dann vier Jahre lang aufregen. Okay, jetzt dürfen Sie enttäuscht gucken, aber nur vor dem Spiegel.
Soll man ein solches Stimmvolk ernst nehmen, welches sich über Wahlwerbung lustig macht, die grösste Partei nicht kennt und eine Woche vor Einsendeschluss mal per Exgüsee fragt, worum es eigentlich gehe? Schliesslich ist Wählen eins der schönsten Privilegien als Schweizer Bürger, gleich nach den Steuern und der Wehrpflichtersatzabgabe.
Ernst. Kein Witz.
Ja, doch, soll man, sehr sogar. Ernst nehmen, meine ich. Zum einen: Die Wahlwerbungs-Parodien funktionieren ja auch nur, weil die potenzielle Kundschaft weiss, auf was angespielt wird. Eine Werbung, die niemandem was sagt, ist wie ein erklärter Witz: wirkungslos.
«Weisst Du, es geht darum, dass man doch sagt, dass Berner langsam seien.»
«Sagt man?»
«Ja. Darum ist es dann lustig, wenn der Berner…»
«Ah, so, jaja.»
«Also, ich hab sowas von gelacht!»
«Kann ich mir denken. Also, erzähl den nochmal, ich will auch lachen. Sowas von.»
Top-Trend Wahlen 2023
Darum gilt: Die Wahlen 2023 sind ein Verkaufsschlager. Dass die Wahlbeteiligung besser sein könnte, ist ein Wermutstropfen (so sagt man in Bundesbern dem von Sozialisten bevorzugten Cüpli – soll ich das jetzt erklären? Ach, googeln Sie es doch). Zum Beispiel dann, wenn Wahlberechtigte aus Frust die Wahlunterlagen gleich sofort fachgerecht entsorgen. Oder wenn gesundheitliche Gründe vom Ausfüllen oder vom Urnengang abhalten.
Aber, sehen wir es positiv: Vielleicht geht es uns auch einfach (zu) gut. Als so dringend wird ein radikaler politischer Wechsel nicht empfunden, dass man gleich, wie in diesem Ausland, eine eben erst gegründete Partei in die Regierung wählen und dann kurz darauf wieder enttäuscht gucken müsste. Wer sich darum foutiert, wer im Parlament parliert, der soll sich doch ehrlicherweise auch der Stimme enthalten.
Einstimmiges «Bravo» dem Schweizer Stimmvolk
Das sieht auch Politologe Louis Perron so: Schliesslich gebe es auch noch die direkte Demokratie. «Mehr als zwei Drittel der Stimmberechtigen haben während der letzten Legislatur mindestens einmal an einem Urnengang teilgenommen», schreibt er in seinem Blog «Wahlkampfanalyse». Und weiter: «Realistischerweise nimmt die Stimmbeteiligung nicht dank schöngeistiger politischer Bildung zu, sondern als Resultat emotionaler Kampagnen.» Also, wenn sich selbst Politologen und Journalisten einig sind, muss dieses Stimmvolk ja 1A sein.
Bleiben diejenigen, die es auf den letzten Drücker doch noch wissen wollen, was es mit diesem angesagten Trend «Wahlen 2023» auf sich hat. Ich sage: Bravo. Es ist nicht immer einfach, gegenüber einer wildfremden Suchmaschine zuzugeben, dass man nach vier Jahren nicht mehr genau weiss, wie viel Panasch man kumulieren darf. Wer sich interessiert, ist auch motiviert und wählt nicht nachlässig die Erstbesten mit den schönsten aufgemalten Schnäuzen.
Eigentlich brauchte es noch viel mehr solche Suchanfragen. Darum sage ich: Wählen, just do it. Sie werden sehen, es verleiht Flügel. Dieses Wahlcouvert: rechteckig, praktisch, gut. Machen Sie die Klimajugend froh, und Erwachsene ebenso. Aber bedenken Sie: Vier von zehn Zahnbürsten empfehlen SVP.