Wenn es das WEF nicht gäbe… müsste man's erfinden?
Das WEF bietet unbestreitbar zahlreiche Treff-Gelegenheiten für den Bundesrat. Aber es kostet auch und ist privat. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Das WEF wird vom Bundesrat gepriesen als Gelegenheit für zahlreiche diplomatische Treffen.
- Ginge dies auch offizieller und billiger, statt privat und mit immensen Sicherheitskosten?
- Die Schweiz müsste wohl das WEF selbst erfinden. Ein Kommentar.
Willkommen zurück im Januarloch: Das WEF 2024 ist vorbei, die Aufregung kann sich wieder legen. Aber nicht, bevor wir die eine Frage beantwortet haben. Nämlich: Hat sich der ganze Aufwand gelohnt? Immerhin wird da alljährlich von einer privaten Stiftung aus Cologny GE eine angeblich spannende Vortragsreihe im Kurort am anderen Ende der Schweiz veranstaltet, die uns dann Millionen von Franken an Sicherheitskosten aufbürdet.
Klar, der eben erst gewählte argentinische Präsident und Kettensägen-Fetischist Javier Milei wäre ohne WEF wohl kaum so schnell in die Schweiz gekommen. Emmanuel Macron könnte sich sagen: Ich war doch grad erst im November da.
Während Uno-Generalsekretär António Guterres für den Weltfrieden auch der Weg in die alpine Kälte nicht zu weit ist, kann gleiches vom israelischen Präsidenten Isaac Herzog wohl nicht erwartet werden. Insbesondere, wenn er zuhause mehr als genug zu tun hat.
Aber es ist halt Weltwirtschaftsforum, also kommt man in die Schweiz. Doch waren all diese Top-Shots der Politik nun in der Schweiz oder einfach in «Daahvos», wie man in Diplomatisch-Englisch so schön sagt?
Ein Ministerhöck jagt den anderen
Das spielt wohl nicht mal so eine Rolle. Wichtiger dürfte sein, dass der Bundesrat mal eben schnell mit Vizekanzler Robert Habeck aus Deutschland zusammenhöckeln kann. Oder mit den Premierministern von Thailand, Kosovo, Irak und Vietnam.
Oder der Präsidentin der EU-Kommission und dem Präsidenten Polens. Und dem EU-Kommissar für Interinstitutionelle Beziehungen und Vorausschau. Ganz abgesehen von der EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, der Aussenministerin Argentiniens und dem brasilianischen Minister für Minen und Energie.
Letzterer wird mit seinem Amtskollegen Albert Rösti kaum spruchreife Entscheide aufgegleist haben. Aber er wird sich bei nächster Gelegenheit erinnern an den kurligen Typen mit dem lustigen Namen, weil er sich nämlich noch gefragt hat, warum brasilianische Minister nicht «João Guaraná» oder «Francisco Churrasco» heissen.
Diplomatie ist wie im richtigen Leben
Denn so funktioniert doch die Diplomatie: Man kann nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen, nur weil man grad spontan ein Anliegen hat. Da braucht es eine Vorgeschichte.
Es ist doch wie im richtigen Leben: Da können Sie auch nicht plötzlich mit einem Blumenstrauss zum Hochzeitstag nachhause kommen. Da braucht es schon etwas mehr, zum Beispiel sollte man zumindest vorher schon geheiratet haben. Okay, das war jetzt keine gute Analogie.
Aber wenn man schon mal verheiratet ist, schenkt es sich leichter. Wenn grad schon mal WEF ist, kommt man auch einen Tag früher und unterzeichnet noch eine Erklärung zum Freihandelsabkommen. Oder fädelt mal eben schnell einen Friedensgipfel ein.
Alles eine Frage der Organisation
Gut, aber kommen die Damen und Herren Staatsoberhäupter nicht von selbst auf die Idee, dass man sich ab und zu mit Vizekanzlern von Nachbarländern und Kommissarinnen für Jugend, Minen und Vorausschau treffen sollte? Ist es nicht naheliegend, dass ein Land wie die Schweiz für Friedensgipfel infrage kommt? Ist es nicht in beiderseitigem Interesse, ein Freihandelsabkommen weiterzuentwickeln?
Doch, ja, schon, irgendwie; nur müsste man das halt organisieren. Nur kommt dann der Selenskyj nicht auch noch persönlich vorbei. Und wenn er nicht vorbeikommt, kommt vielleicht jemand anderes zum Handkuss. Wie im richtigen Leben, und adé tschüss Blumenstrauss am Hochzeitstag.
Preis-Leistungs-Verhältnis
Wenn da nur nicht diese zwei irritierenden Aspekte am WEF wären: Es ist eine private Veranstaltung mit eigener Agenda und sie ist teuer. Wenn wir schon, wie heuer, unsere Armeeangehörigen für 9 Millionen Franken in einem realistischen Szenario beüben, wollen wir auch bei der Planung mitreden können.
Wie machen das denn die Israeli, Chinesen und Brüsseler? Sie kommen nach Davos oder an einen der anderen Anlässe für wichtige Länder, wo die Schweiz aber meist nur Zaungast ist. Auch sind diese, mit Ausnahme vielleicht der Münchner Sicherheitskonferenz, nicht gerade nur einen Steinwurf weit entfernt. Beziehungsweise einen Superpuma-Flug.
Ob es denn wirklich billiger wäre, solch ein Treffen selbst zu organisieren oder etwas mehr herumzureisen, sei dahingestellt. Ist das WEF der Weisheit letzter Schluss? Sicher nicht. Aber es ist nun mal da und geht nicht weg.
Nach dem Preis zu fragen, ist so oder so nicht opportun. Es ist doch wie im richtigen Leben: War der Blumenstrauss teuer, heisst es «ach, das wär doch nicht nötig gewesen», weil aus dem gemeinsamen Konto bezahlt. War er zu billig, heisst es dagegen: «Was, mehr bin ich nicht wert?»
Insofern erscheint das WEF als beste aller schlechten Lösungen: Es kostet zwar etwas, aber man hat seine Sammelkarte auch schneller wieder voll. Das elfte Gratis-Treffen mit Klaus Schwab muss man ja nicht zwingend auch einlösen.