Werden Cryptoleaks zu einer FDP Affäre?
In der Affäre um gezinkte Chiffriergeräte der Zuger Crypto AG sind zahlreiche FDP-Politiker involviert – auch bei den Kritikern.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Abhör-Affäre um die Zuger Crypto AG schlägt hohe Wellen.
- Politiker und Parteien fordern eine Untersuchung darüber, wer davon wusste.
- Von den Personen, die wohl informiert waren, gehören auffällig viele der FDP an.
Die Schweizer Neutralität steht auf dem Spiel. Seit geheime CIA-Dokumente über die Zuger Crypto AG an die Öffentlichkeit gedrungen sind, herrscht in der Schweiz Alarmstufe Rot.
Die Firma, welche über Jahrzehnte im Besitz des US- und des Westdeutschen Geheimdienstes war, verkaufte Chiffriergeräte in über hundert Ländern. Die Dokumente zeigten auch: Schweizer Politiker, Bundes- und Nachrichtendienst-Mitarbeiter waren wohl informiert. Doch sie blieben stumm, deckten die ausländischen Geheimdienste im eigenen Land gar.
FDP-Politiker wollen lückenlose Aufklärung
Die Empörung ist allenthalben gross. SP, Grüne, aber auch SVP-Doyen Christoph Blocher fordern eine PUK, eine Parlamentarische Untersuchungs-Kommission. FDP-Nationalrat Thierry Burkart forderte auf Twitter als einer der Ersten Konsequenzen.
Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller pochte in der «Rundschau» auf eine «lückenlose Aufarbeitung» – der Bundesrat, speziell das VBS, sei gefragt. Der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats sagt: «Wir können diese Berichte nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.» Man müsse «Tempo Teufel Klarheit schaffen».
FDP-Parteichefin Petra Gössi verkündete deshalb bereits am Dienstagabend gegenüber der TX Group, dass eine PUK eine «ernsthafte Option» sei. Womöglich reichen die Freisinnigen den Antrag in der Frühlingssession im März gleich selbst ein.
Und auch FDP-Nationalrätin Christa Markwalder mahnt, dass die Cryptoleaks schädlich für die Reputation der neutralen Schweiz sei. Eine Untersuchung sei daher nötig.
Beteiligte Köpfe bei der FDP
Doch für den Freisinn verspricht die Untersuchung der Vorfälle um die Crypto-Affäre unangenehm zu werden, gibt SP-Generalsekretär Michael Sorg zu bedenken. Denn bei genauerem Hinsehen offenbart sich: die Protagonisten sind fast alle Mitglieder der FDP.
Etwa der ehemalige FDP-Bundesrat Kaspar Villiger, erst Verteidigungs-, später Finanzminister. Er soll gewusst haben, dass die Zuger Firma von ausländischen Geheimdiensten kontrolliert wurde, habe aber geschwiegen. «Handlangerdienste für Drittstaaten, die den Ruf der Schweiz als verlässlich neutrales Land beschädigen können, hätte ich niemals gedeckt», dementiert dieser.
Oder Georg Stucky, alt FDP-Nationalrat, ehemaliger Zuger Regierungsrat und Verwaltungsratsmitglied der Crypto AG. Gemäss CIA-Papier ist er vom CEO der Firma über die Spionage-Operationen informiert gewesen. Heute kann er sich daran jedoch nicht mehr erinnern, wie er sagt.
Oder Peter Regli, damaliger Chef des militärischen Nachrichtendienstes und FDP-Mitglied. Er sagt nichts zu den Vorwürfen, seine Behörde sei informiert gewesen über die Vorgänge zwischen US- und deutschen Geheimdiensten in der Crypto AG.
Oder der ehemalige Chef des Nachrichtendienstes, FDP-Mitglied Markus Seiler. Er ist heute Generalsekretär im Aussendepartement von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis. Oder Rolf Schweiger, Zuger FDP-Ständerat zwischen 1999 und 2011 und kurzzeitig Präsident der FDP Schweiz. Auch er sass im Verwaltungsrat der Crypto AG.
Gössi widerspricht
CH Media schreibt heute: «Die Crypto-Affäre könnte sich zu einer FDP-Affäre auswachsen.» Im Verwaltungsrat der Crypto AG seien zahlreiche Zuger Persönlichkeiten gesessen: «Anwälte an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik, tief verankert in der FDP und dotiert mit zahlreichen Mandaten.»
FDP-Chefin Gössi will die Crypto-Affäre gegenüber der «TX Group» nicht auf eine bestimmte Partei reduzieren. Die Verantwortung sei jeweils bei verschiedenen Bundesräten aus unterschiedlichen Parteien und Departementen gelegen.
Ob die Beteuerungen der FDP-Verantwortungsträger stimmen, wird die Untersuchung zeigen. Der ehemalige deutsche Geheimdienstberater Bernd Schmidbauer ist in der «Rundschau» wenig überzeugt: «Ich hatte ja direkten Kontakt zur Spitze Schweizer Dienste und nehme an, dass sie nicht uninformiert waren.»