Will die SVP wirklich diese Städte als Kantonshauptorte?
Der Forderung der SVP im Kampf gegen den Stadt-Land-Graben, die Kantonshauptorte zu verlegen, erweist sich im Detail als knifflig.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP will gegen die links-regierten Grossstädte etwas unternehmen.
- Sie fordert, dass die Kantonshauptorte neu ausgeschrieben werden.
- Ist die Hoffnung auf günstige, bürgerliche Alternativen realistisch?
Wer Missstände anprangert, muss auch Lösungen aufzeigen. So auch die SVP, die den Stadt-Land-Graben zum neuen Kernthema erhoben hat. Die links-grün regierten Städte würden mit ihrer Schmarotzer-Politik von den Steuergeldern der Agglo- und Landbevölkerung profitieren. Denn nur dank dem Finanz- und Lastenausgleich – bezahlt vom Land – könnten die Städte ihre Luxus-Politik überhaupt verwirklichen, so die SVP.
Weil demokratisch gewählte Regierungen schlecht abgesetzt werden können, will die SVP halt den bürgerlichen Landesteilen mehr Gewicht verleihen. Unter anderem sollen die Kantonshauptstädte neu vergeben werden. In einer Ausschreibung soll diejenige Gemeinde Hauptort werden, die die Kantonsverwaltung kosten- und verkehrsmässig besser unterbringen kann. Doch könnte dieser Plan überhaupt aufgehen?
Statt grosser linker Stadt eine kleine linke Stadt?
Natürlich hofft die SVP, dass so eher bürgerlich regierte Städte zum Zug kommen. Doch müssten diese ja schon auch eine gewisse Grösse und geeignete Lage haben. Adlikon ZH mit über 50 Prozent SVP-Wählern, aber nur rund 700 Einwohnern, käme so schon einmal nicht infrage. Städte, die der SVP genehm wären, sind aber nicht so leicht zu finden.
Das von der SVP ebenfalls geschasste Winterthur wäre so kein valabler Ersatz für Zürich. Wohlweislich schlägt SVP-Nationalrat Thomas Matter die viertgrösste Zürcher Stadt Dübendorf vor. In der drittgrössten, Uster, sind vier von sieben Stadträten nämlich ebenfalls links-grün. «Dübi» hat dagegen eine rein bürgerliche Stadtregierung. Bei je zwei SVP-, GLP- und Mitte-Mitgliedern und einem FDPler herrschen aber auch nicht gerade Adlikoner Verhältnisse.
Alternative Hauptstädte zum Teil kaum möglich
In einigen Kantonen ist der Hauptort nicht gleichzeitig die grösste Stadt: Das schafft Optionen. Oft aber nur scheinbar, wie im Kanton Glarus, wo die Gemeinde Glarus Nord am grössten, aber auch aus acht fusionierten Gemeinden zusammengestückelt ist. Olten ist grösser als Solothurn, hat aber eine linke Regierung. Grenchen ist praktisch gleichauf, bürgerlich dominiert – aber eine grosse Bezügerin im Finanzausgleichs-System.
Liestal ist gar nur die sechstgrösste Stadt im Kanton Baselland. Das bevölkerungsreichste Allschwil ist aber dezentral gelegen und von Mitte-Links regiert, gleiches gilt für Binningen. Theoretisch geeigneter wären Reinach und Muttenz: Auch sie schmiegen sich an die Grossstadt Basel an, aber mit mehrheitlich bürgerlicher Regierung.
Ähnlich zentral wie Liestal wäre dagegen Pratteln, das im Gegensatz zu allen anderen sogar einen SVPler in der Regierung hat. Ihm zur Seite stehen aber zwei FDPler, zwei Grüne und zwei SPler.
Praktisch alternativlos präsentiert sich die Situation in kleineren Kantonen, wo der Hauptort die einzige Stadt ist. Dies trifft auf Appenzell Ausserrhoden, Jura und Obwalden zu. In drei Kantonen (AI, UR, NW) ist selbst der jetzige Hauptort keine Stadt. Doch gegen Herisau, Delsberg oder Sarnen richtet sich der Schmarotzer-Vorwurf der SVP wohl auch nicht.
Hier findet die SVP Kantonshauptstädte
Sondern an die grossen Städte, die für ihre Zentrumslasten Finanzausgleich kassieren. Wie Bern (oder Biel), welches man mit dem nächstgrösten Thun ersetzen könnte. Mit zwei Linken, einem Mitte- und zwei SVP-Vertretern präsentiert sich die Regierung ausgeglichen. Ebenso in Köniz (2 SP, 1 GLP, 1 SVP, 1 FDP, 1 Grüne) und Burgdorf (2 SP, 2 Mitte, 1 GLP, 1 Grüne, 1 EVP).
Nur ist Köniz quasi an Bern drangebaut und es fragt sich, ob sich mit dem Verschieben des Regierungssitzes gross etwas ändern würde. Gleiches gilt für Luzern, welches mit den bürgerlichen Emmen (2 FDP, 2 Mitte 1 SP) und Kriens (1 Mitte, 1 Grüne, 1 SP, 1 SVP, 1 FDP) zusammengewachsen ist.
Umgekehrtes Problem im Sanktgallischen: Wil (nur ein Linker von 5) und Rapperswil-Jona (2 von 7) wären stramm bürgerlich. Aber halt jeweils an der Peripherie gelegen.
Ein Luxusproblem bietet sich der SVP dagegen im Tessin: Lugano ist grösser als Bellinzona und alleine die Lega stellt drei Stadträte. Drei weitere Sitze halten FDP und Mitte, die SP nur einen. Das «Problem» präsentiert sich dergestalt, dass auch in Bellinzona die Bürgerlichen in der Mehrheit sind. Ihre fünf Vertreter müssen sich gegen zwei Linke durchsetzen – oder einsehen, dass Lugano die bessere «città capitale» ist.