Berlin und Paris mit Vorstoss zur Flüchtlingsaufnahme bis Oktober
Deutschland und Frankreich haben einen Vorstoss unternommen, um die Verteilung von im zentralen Mittelmeer geretteten Flüchtlingen in den kommenden Monaten sicherzustellen.
Das Wichtigste in Kürze
- Plan soll mit Salvini bei EU-Innenministertreffen in Helsinki diskutiert werden.
Nach einem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Textvorschlag für das Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag soll sich eine «Koalition der Willigen» aus mehreren Staaten zur Aufnahme von Migranten verpflichten, die in Italien oder Malta ankommen. Dies soll aber nur zeitlich befristet bis Oktober erfolgen.
Die EU-Innenminister wollten am Donnerstag in Helsinki über «die Zukunft der Migrationspolitik» beraten. Die finnische EU-Ratspräsidentschaft setzte für Mittwochabend kurzfristig ein Abendessen an. Beim ihm soll über Lösungen für den Umgang mit ankommenden Flüchtlingsbooten beraten werden, um zu verhindern, dass in jedem einzelnen Fall neue Verhandlungen über die Aufnahme stattfinden müssen.
Der deutsch-französische Vorschlag, der dem Vernehmen nach vom finnischen EU-Vorsitz unterstützt wird, fordert den Aufbau eines «wirksameren vorübergehenden Solidaritätsmechanismuses». Er solle bis einschliesslich Oktober ein «schnelleres und würdiges Anlandbringen» von durch private Schiffe geretteten Migranten gewährleisten und die Ansteuerung des «nächstgelegenen sicheren Hafens» ermöglichen.
In den vergangenen Wochen mussten Hilfsschiffe mit Flüchtlingen teils tagelang auf die Einfahrt in einen Hafen warten. Denn Italien und auch Malta verweigerten das Anlegen, solange die Aufnahme der Flüchtlinge durch andere EU-Länder nicht geklärt war.
Nach Angaben aus EU-Kreisen sind «sechs oder sieben Länder» nun bereit, sich an einer «Koalition der Aufnahmewilligen» zu beteiligen. «Drei bis vier» weitere zögerten noch.
Inwieweit der deutsch-französische Vorstoss eine Chance hat, ist ungewiss. Denn Italien wollte bisher nur dauerhaft seine Häfen für Flüchtlingsschiffe öffnen, wenn alle ankommenden Migranten sofort von anderen EU-Staaten abgenommen werden. EU-Staaten wie die Niederlande lehnen dies aber für Menschen ab, die wahrscheinlich nicht asylberechtigt sind.
Diplomaten zufolge haben in der Regel 30 Prozent der Flüchtlinge Anspruch auf Asyl, die restlichen 70 Prozent müssten in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Dies ist aber oft schwierig, weil diese die Rücknahme der Menschen verweigern oder die Herkunft von Flüchtlingen wegen fehlender Papier nicht eindeutig geklärt werden kann.
Malta sei bereit, den deutsch-französischen Vorschlag zu unterstützen, hiess es von Diplomaten. Bedingung sei aber, dass auch Italien zustimme. Rom wiederum hat bisher zur Bedingung gemacht, dass Flüchtlingsboote auch in das am westlichen Mittelmeer liegende Frankreich umgeleitet werden. Dies lehnt Paris ab.
Auch wenn Fälle von Hilfsschiffen wie der «Sea Watch 3» und ihrer vorübergehend in Italien festgenommenen deutschen Kapitänin Carola Rackete zuletzt Schlagzeilen machten, sind die Ankunftszahlen derzeit relativ gering. In diesem Jahr kamen in Italien lediglich rund 3200 Flüchtlinge an. Im Gesamtjahr 2018 waren es über 23.000 gewesen und 2017 fast 120.000.
Doch in der EU wächst die Besorgnis, dass die Ankunftszahlen schnell wieder steigen könnten. «Wir beobachten eine Zunahme der Überfahrten», sagte ein EU-Vertreter. Grund könne sein, «dass die libysche Küstenwache weniger aktiv» sei. Das Land wird wieder von schweren Kämpfen erschüttert, seitdem der libysche General Chalifa Haftar im April eine Offensive auf die Hauptstadt Tripolis und die dortige Regierung gestartet hatte.