Tusk macht Brexit-Verschiebung von Annahme des Austrittsabkommens abhängig
Die EU will der von London beantragten Verschiebung des Brexit nur unter Bedingungen zustimmen.
Das Wichtigste in Kürze
- Britische Premierministerin May bittet EU um Aufschub bis Ende Juni.
EU-Ratspräsident Donald Tusk machte am Mittwoch eine Fristverlängerung von der Annahme des Austrittsvertrags im britischen Unterhaus abhängig. Die britische Premierministerin Theresa May hatte Brüssel zuvor um einen Aufschub des für Ende März geplanten EU-Austritts um drei Monate gebeten. Die EU-Kommission stufte dies mit Blick auf die Europawahl im Mai als problematisch ein.
Tusk stellte London eine «kurze Verlängerung» in Aussicht. Voraussetzung sei aber, dass das britische Unterhaus in einem dritten Anlauf dem Austrittsvertrag mit der EU zustimme, sagte der EU-Ratspräsident in Brüssel.
Offen sei noch die Frage, ob der von May vorgeschlagene Aufschub bis Ende Juni möglich sei. Dies würden die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag bei ihrem Gipfel in Brüssel diskutieren, sagte Tusk. Er verwies auf «Fragen rechtlicher und politischer Natur». Die EU-Kommission hatte zuvor vor Risiken für die EU wegen der Europawahlen Ende Mai gewarnt.
London will einen Aufschub bis zum 30. Juni erreichen, wie May am Mittwoch im Londoner Parlament darlegte. Bisher ist der EU-Austritt der Briten für den 29. März vorgesehen. Von dem Brexit-Aufschub will die Premierministerin die anderen 27 EU-Mitgliedsländer ab Donnerstag beim EU-Gipfel überzeugen. Diese müssten eine Fristverlängerung einstimmig billigen.
Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Bundesregierung begrüsse es, dass es nun einen klaren Antrag Grossbritanniens gebe. Dieser werde «sicher intensiv diskutiert werden». Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte, Mays Schreiben enthalte nicht die notwendige Begründung für einen Brexit-Aufschub und habe daher «überhaupt kein Problem gelöst». Die französische Regierung kündigte an, eine Brexit-Verschiebung abzulehnen, falls May keine «glaubwürdige» Strategie vorlege.
Die entscheidende Frage sei, ob May bis kommende Woche eine Mehrheit im Unterhaus für das Abkommen organisieren könne, erklärte der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt.
Die EU-Kommission warnte mit Blick auf Mays Forderung vor rechtlichen und politischen Risiken für die EU. Den Briten könne eine sehr kurze Verschiebung bis kurz vor den Wahlen zum EU-Parlament oder eine «deutlich längere» Verschiebung «bis mindestens Ende 2019» gewährt werden, hiess es in einem internen Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Im zweiten Fall sei Grossbritannien dann verpflichtet, Wahlen zum Europaparlament zwischen dem 23. und 26. Mai zu organisieren.
«Jede andere Option (zum Beispiel bei einer Verlängerung bis zum 30. Juni)» wäre mit deutlichen Risiken für die EU behaftet, hiess es weiter. So bestehe bei einer Fristverlängerung bis Juni die Gefahr, dass Grossbritannien anschliessend um eine weitere Verlängerung bitte, ohne Wahlen abgehalten zu haben.
In dem Fall könne dem EU-Parlament und wichtigen Entscheidungen der EU die Legitimität abgesprochen werden. Es müsse zudem ausgeschlossen werden, dass London eine Fristverlängerung für Nachverhandlungen am Austrittsvertrag nutzen wolle, hiess es weiter.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte, er rechne nicht mit einem Beschluss der Gipfelteilnehmer am Donnerstag, vielmehr sei ein weiterer EU-Gipfel kommende Woche denkbar. Tusk sagte, die Notwendigkeit eines Sondergipfels zum Brexit sehe er derzeit nicht. Die EU könne ihren Teil beim Beschluss einer Verschiebung auch in einem schriftlichen Verfahren erledigen. Falls nötig werde er aber auch einen Gipfel einberufen.
Das britische Unterhaus hatte den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag vergangene Woche zum zweiten Mal abgelehnt. May will das Abkommen nun «so bald wie möglich» erneut zur Abstimmung stellen. Ein für Mittwoch geplantes Votum war am Widerstand von Parlamentspräsident John Bercow gescheitert. Bercow hatte am Montag unter Berufung auf eine Regel aus dem 17. Jahrhundert erklärt, die Regierung könne über eine unveränderte Vorlage nicht erneut abstimmen lassen.
Angesichts der unsicheren Lage verlor das britische Pfund am Mittwoch fast ein Prozent an Wert.