EU und USA verurteilen Twitter-Sperre in Nigeria
Die EU, Grossbritannien, Kanada und die USA haben die Entscheidung der nigerianischen Regierung verurteilt, Twitter nach dem Löschen einer Kurzbotschaft von Präsident Muhammadu Buhari zu sperren.
Das Wichtigste in Kürze
- Sprecher des Präsidenten dementiert Zusammenhang mit Entfernung von dessen Tweet.
Zu einem Zeitpunkt, an dem Nigeria einen offenen Dialog fördern und inmitten der Corona-Krise lebenswichtige Informationen teilen sollte, sei das Verbot von «Mitteln zur Meinungsäusserung» die falsche «Antwort», erklärten die diplomatischen Vertretungen am Samstagabend in Abuja.
«Der Weg zu einem sichereren Nigeria liegt in mehr, nicht weniger, Kommunikation», hiess es in der gemeinsamen Erklärung weiter. Twitter hatte am Mittwoch einen Beitrag des Präsidenten gelöscht, weil er gegen die Regeln des Kurzbotschaftendienstes verstossen hatte. Darin hatte Buhari unter Anspielung auf den Bürgerkrieg Ende der 60er Jahre gedroht, mit den Verantwortlichen für die aktuelle Gewalt im Südosten Nigerias «in einer Sprache umzugehen, die sie verstehen».
Zwei Tage später kündigte das Informationsministerium an, dass der Online-Dienst auf unbestimmte Zeit blockiert werde. Die nigerianischen Telekommunikationsanbieter meldeten am Samstag die Umsetzung der behördlichen Anordnung. Die Behörden drohten mit strafrechtlichen Konsequenzen, sollten Twitter-Nutzer versuchen, die Sperre zu umgehen.
Buharis Sprecher Garba Shehu dementierte aber am Samstagabend, dass die Entscheidung eine Reaktion auf die Löschung von Buharis Tweet gewesen sei. Stattdessen nannte er Probleme mit «Desinformation und 'Fake News'» als Grund: Über die Internetplattform seien Fehlinformationen und Falschnachrichten verbreitet worden, die «reale, gewalttätige Konsequenzen hatten», erklärte Shehu. Gleichzeitig bezeichnete er die Entfernung von Buharis Tweet als «enttäuschend» und fügte hinzu, «grosse Tech-Unternehmen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein».
Twitter bezeichnete die Massnahme der nigerianischen Regierung als «zutiefst besorgniserregend». «Der Zugang zum freien und #OpenInternet ist ein wesentliches Menschenrecht in der modernen Gesellschaft», erklärte der Konzern und kündigte an, er werde daran arbeiten, «den Zugang für all diejenigen in Nigeria wiederherzustellen, die auf Twitter angewiesen sind, um zu kommunizieren und sich mit der Welt zu verbinden».
Menschenrechtsaktivisten sprachen ebenfalls von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit. Amnesty International forderte Nigeria auf, «die rechtswidrige Sperrung sofort rückgängig zu machen». Die Human-Rights-Watch-Vertreterin Anietie Ewang schrieb von einem «repressiven Schritt» und einem «klaren Versuch, Dissens zu zensieren» und bürgerschaftliches Engagement zu unterdrücken.
Der Experte Bulama Bukarti vom Tony Blair Institute for Global Change twitterte, bei der Blockade handele es sich um den «Höhepunkt der Mundtotmachung der Meinungsfreiheit, wie sie nur in Diktaturen geschehen kann».
Länder wie China und die Türkei schränken den Zugang zu sozialen Medien zunehmend ein und werden dafür international scharf kritisiert. Im Februar beklagte Twitter die Sperrung des Zugangs zu seiner Plattform in Myanmar als Teil des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstrierende infolge des Militärputsches.
Twitter hat immer wieder eine wichtige Rolle im öffentlichen Diskurs Nigerias gespielt - unter anderem mit den Schlagwörtern #BringBackOurGirls, nachdem Boko Haram im Jahr 2014 276 Schulmädchen entführt hatte, und #EndSARS während der Proteste gegen Polizeibrutalität im vergangenen Jahr. Mehr als 39 Millionen der geschätzten 200 Millionen Einwohner Nigerias haben laut einer Umfrage ein Twitter-Konto.