Iraks Grossayatollah warnt vor ausländischer Einmischung in Proteste
Das spirituelle Oberhaupt der Schiiten im Irak, Grossayatollah Ali al-Sistani, hat vor einer ausländischen Einmischung bei den regierungskritischen Protesten in seinem Land gewarnt.
Das Wichtigste in Kürze
- Amnesty verurteilt Einsatz von «schädeldurchdringenden» Tränengas-Granaten.
«Kein Mensch und keine Gruppe, keine Seite mit speziellen Ansichten, kein regionaler oder internationaler Akteur darf sich des Willens des irakischen Volkes bemächtigen und ihm seinen Willen aufdrängen», sagte al-Sistani am Freitag in seiner von einem Vertreter verlesenen wöchentlichen Predigt.
Zudem warnte er vor politischen Grabenkämpfen im Inneren. Die Behörden rief er auf, dafür zu sorgen, dass «bewaffnete Truppen nicht friedlichen Demonstranten gegenübergestellt» werden. Der Irak dürfe nicht in den «Abgrund interner Kämpfe» hineingezogen werden.
Zuletzt hatte Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei die Demonstranten im Irak aufgefordert, ihren Forderungen «im rechtlichen Rahmen» Nachdruck zu verleihen. Der Irak unterhält enge, aber schwierige Beziehungen zum Nachbarland Iran sowie zu Teherans Erzfeind Washington. Seit Beginn der Proteste werfen Demonstranten und ihre Gegner sich vor, jeweils von ausländischen Kräften unterstützt zu werden.
Seit Anfang Oktober gehen in Bagdad und anderen Städten im Süden des Landes hunderttausende Menschen gegen die politische Elite auf die Strasse, die sie für die gravierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes verantwortlich machen. Bei den teils gewaltsamen Protesten wurden bereits mehr als 250 Menschen getötet, die meisten davon Demonstranten, doch lassen sie sich nicht durch die Gewalt einschüchtern.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gingen die Sicherheitskräfte zuletzt mit militärischen Tränengas-Granaten, welche den Schädel durchschlagen können, gegen Demonstranten vor. Dies ziele auf eine Tötung und nicht ein Auseinandertreiben der Demonstranten ab. Die Einsatzkräfte zielten aus nächster Nähe auf Kopf und Körper von Demonstranten.
In mehreren Fällen sei der Schädel durchdrungen worden, was zu schwersten Verletzungen oder zum Tod geführt habe. Mindestens fünf Demonstranten seien durch den Einsatz dieser Tränengas-Granaten, die «bis zu zehn Mal stärker als herkömmliche Tränengaskartuschen» seien, getötet worden.
In Onlinenetzwerken zirkulierende Videos zeigen junge Männer, aus deren Augen oder Mündern Rauch quillt, nachdem sie offenbar von diesen Tränengas-Granaten getroffen wurden. Amnesty verifizierte nach eigenen Angaben einige der Videos. Die Organisation forderte die Polizei auf, den Einsatz dieser Waffen umgehend einzustellen.