Kurioses rund um die #Cryptoleaks
Die Crypto AG im Besitz der CIA war der «Coup des Jahrhunderts». Die Geschichten darum herum lösen aber ebenfalls gehobene Augenbrauen aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Nebst den politisch relevanten Fakten bringt #Cryptoleaks auch komische Details zutage.
- Vieles scheint im Nachhinein fast unglaublich, anderes lässt dagegen Schmunzeln.
- War Iran blind? Hat die CIA abgeschrieben? Und müssen Schwaben immerfort ans Geld denken?
Pannen, die nicht schaden
Insbesondere Iran hätte der Crypto AG längst den Rücken kehren müssen. Insbesondere nachdem der Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler (den Iran zuvor monatelang festgehalten hatte) eigentlich die Verdächtigungen bestätigte. Auch zuvor und danach gab es immer wieder klare Hinweise für Iran, dass die USA ihre Kommunikation problemlos mitlesen konnte. Während andere Länder zögerten, ging Iran zum Erstaunen der CIA zur Tagesordnung über – und bestellte gleich noch mehr Crypto-Geräte.
Über Jahre keine brauchbaren Resultate hatte die CIA dagegen bei Nigeria. Dieses hatte eine grosse Zahl an Crypto-Geräten gekauft. Nach zwei Jahren schickte man mal einen Firmenvertreter vorbei, um nachzuforschen. Er fand die Geräte: In einem Lagerhaus, immer noch in der Originalverpackung.
Code-Namen der CIA
Sicher ist sicher: Die CIA hat alle und alles auch in diesem Fall mit Code-Namen versehen. Die Operation hiess zunächst «Thesaurus» (wörtlich «Schatzhaus», meist im Sinne einer Wortschatzsammlungen verwendet), später «Rubicon».Wer, wie einst Julius Cäser, den Fluss Rubicon überschreitet, für den gibt es kein Zurück.
Crypto AG hiess «Minerva», nach der römischen Göttin. Sie ist Schutzgöttin der Dichter und Lehrer und Göttin der Weisheit und der taktischen Kriegsführung. Das passt ja dann.
Aber es müssen nicht immer die Römer sein: Der einzige von Anfang an eingeweihte Crypto-Chef Sture Nyberg hiess schlicht «Ball». Sein uneingeweihter technischer Leiter Oscar Stürzinger dagegen Siegfried. Unklar ist, ob er einfach Friede bringen sollte oder nach Siegfried dem Drachentöter benannt war. Dieser hatte übermenschliche Kräfte, wird am Schluss der Sage aber ermordet.
Der Fall Hans Bühler hiess «Hydra», nach dem vielköpfigen schlangenähnlichen Ungeheuer der griechischen Mythologie. Haut man einen Kopf ab, wachsen zwei neue nach. Das schreit nach einem Drachentöter, aber einem, der sich beim Kopfabschlagen zurückhält.
Götter, Sport und Crossdresser
Die Namensverteilung der CIA schwankt zwischen Mythologie und Banalem. Die CIA selbst war Eos, die Göttin der Morgenröte, die NSA dagegen «Hockey». Der BND war der griechische Buchstabe «Gamma», deren verlängerter Arm Siemens dagegen der Göttersitz «Olympia».
Deren US-Pendant, die Firma Motorola, hiess «Navaho»: Der Indianerstamm half den USA im zweiten Weltkrieg, mit ihrer ungewöhnlich komplexen Sprache den Funkverkehr zu verschlüsseln. Die der Crypto AG übergeordnete Holding-Gesellschaft hiess «Golf». Und sogar die Wirtschaftsprüfer hatten einen Code-Namen: «Fidelio». Dies ist der Name von Shakespeares Prinzessin Imogen, wenn sie Männerkleider trägt.
Russland- und Nobel-Connection
Mit Crypto-Gründer Boris Hagelin hatte die CIA eigentlich einen halben Russen ins Boot geholt. Er ist 1892 im russischen Zarenreich geboren, nahe Baku (heute Aserbeidschan). Sein Vater, ein Schwede, nannte sich angepasst «Karl Wassiljewitsch Hagelin» und war bestens befreundet mit Emanuel Nobel. Nicht nur Boris, auch Bruder Wolodja trug einen russischen Namen.
Emanuel Nobel, ein Schweden-Russe, war damals das Oberhaupt der Nobel-Familie – die mit dem Nobel-Preis. Vater Karl war Direktor der Nobel gehörenden grössten russischen Ölgesellschaft. Wegen der Oktoberrevolution musste die Familie das Land verlassen.
Boris Hagelin hätte eigentlich ebenfalls für Nobel arbeiten und nach Russland zurückkehren sollen. Mit der Gründung der kommunistischen Sowjetunion 1922 musste er diese Pläne aber aufgeben.
Boris ist der Urgrossvater von Carl Hagelin, einem schwedischen Eishockeyspieler, derzeit bei den Washington Capitals unter Vertrag. Mit den Pittsburgh Penguins hat er 2016 und 2017 den Stanley Cup gewonnen. Hier schliesst sich der Kreis: Den zweiten Triumph konnte er zusammen mit dem Schweizer Mark Streit feiern.
«Schaffe, schaffe, Häusle baue»
Die ungleichen Partner BND und CIA gerieten immer wieder aneinander. Einerseits waren die Deutschen immer wieder irritiert ob der Unverfrorenheit der Amerikaner. Die eigenen Nato-Partner auszuspionieren: Das gehört sich doch nicht!
Umgekehrt war der BND immer sehr erfreut über die guten Geschäftszahlen der Crypto AG. So kam man zu zusätzlichem Geld für Sonderprojekte, das Klischee der «sparsamen Schwaben» schien sich zu bestätigen. Immer wieder habe die CIA den BND daran erinnern müssen, dass es nicht ums Geldverdienen, sondern eine Geheimdienstoperation ging.
Das Mathe-Genie – wie hiess er noch gleich?
Weil Crypto-Mitarbeiter immer wieder vermuteten, dass mit den Algorithmen nicht alles koscher war, musste die CIA handeln. Sie suchte einen Zahlen-Zauberer, der bessere, weniger auffällige Hintertürchen austüfteln konnte. Jemand mit kryptologischem Renomme, das jeden Zweifel im Keim erstickte.
Man fand den schwedischen Mathematik-Professor Kjell-Ove Widman, ein Militärreservist mit Kontakten zum schwedischen Geheimdienst. Einziges Problem: Die Amerikaner konnten partout seinen Namen nicht aussprechen. So wurde er fortan einfach «Henry» gerufen; sein Code-Name war dagegen «Athena», die Göttin der Weisheit und des Kampfes.
Die CIA schreibt Groschenromane
Verschiedenen Geheimdienst-Experten ist aufgefallen, dass der jetzt geleakte Minerva-Bericht so ganz und gar nicht nach CIA klingt. Angefangen von Grammatik-Fehlern bis zum angeblich verdächtigen Leak-Termin sei hier wohl irgendwas faul. Die Fakten wurden zwar grösstenteils mittlerweile bestätigt. Aber der Bericht lese sich eher wie ein Groschenroman als ein an interne Fachleute gerichtetes Dossier.
Die Passage rund um das Eigenlob «Coup des Jahrhunderts» stamme fast wörtlich aus einem Enthüllungs-Artikel von 1998. Die Vermutung liege nahe, dass es hier eher um gewollte Schadensbegrenzung gehe, weil vieles bereits bekannt war. Denn die Crypto AG nützt der CIA heute fast nichts mehr: Verschlüsseln – auf digitalem Weg – kann heute fast jeder auch privat.