Spitze der Übergangsregierung Malis von Armee-Oberst abgesetzt
Neun Monate nach dem Putsch im westafrikanischen Krisenstaat Mali ist die Spitze der Übergangsregierung entmachtet worden.
Das Wichtigste in Kürze
- Macron spricht von «Staatsstreich» und kündigt gezielte EU-Sanktionen an.
Präsident Bah Ndaw und Ministerpräsident Moctar Ouane wurden am Montag nach einer umstrittenen Regierungsumbildung festgenommen. Der einflussreiche Armee-Oberst Assimi Goïta warf den beiden am Dienstag vor, sie hätten den Übergangsprozess im Land «sabotiert». Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einem «Staatsstreich» und kündigte «gezielte Sanktionen» der EU an.
Präsident Ndaw und Ministerpräsident Ouane hätten die Übergangsregierung umgebildet, ohne sich zuvor mit ihm abzusprechen, hiess es einer Erklärung von Oberst Goïta, die von einem uniformierten Mitarbeiter im Fernsehen verlesen wurde. Der Armee-Oberst betonte, dass er für Verteidigung und Sicherheit im Land zuständig sei. Zugleich versprach er die Fortsetzung des Übergangsprozesses und Wahlen im kommenden Jahr.
Goïta warf den beiden von ihm festgesetzten Politikern vor, «die Übergangscharta zu verletzen». Daher habe er sich «zum Handeln gezwungen» gesehen und den Präsidenten und den Regierungschef sowie weitere Verantwortliche von ihren Ämtern entbunden.
Goïta war Anführer der Putschisten, die im August 2020 den gewählten Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta nach lange andauernden Protesten gestürzt hatten. Er hat derzeit den Rang eines Vize-Präsidenten der Übergangsregierung inne.
Die Übergangsregierung war im September eingesetzt worden und sollte die Rückkehr zur Zivilherrschaft sicherstellen. Mit der Regierungsumbildung wurden Verteidigungsminister Sadio Camara und Sicherheitsminister Colonel Modibo Kone - die im vergangenen Jahr den Putsch mit angeführt hatten - ersetzt.
Militäroffiziere nahmen daraufhin den Präsidenten und den Regierungschef am Montag in Gewahrsam und brachten sie in das Militärlager Kati am Rande der Hauptstadt Bamako, wie zwei ranghohe Beamte der Nachrichtenagentur AFP bestätigten.
Die nach dem Putsch installierte Militärjunta hatte sich Anfang des Jahres aufgelöst. Dennoch übt das Militär in Mali weiter grossen Einfluss aus. Die Zweifel an der Umsetzung zugesagter Reformen und der Abhaltung von Wahlen Anfang kommenden Jahres wuchsen. «Die geplanten Wahlen werden 2022 abgehalten», sagte Goïta nun.
Die internationale Gemeinschaft verurteilte die jüngsten Entwicklungen in Mali scharf. Frankreichs Präsident Macron sprach von einem «Staatsstreich im Staatsstreich», der «inakzeptabel» sei. Die EU werde in Kürze «gezielte Sanktionen» gegen die Anführer beschliessen. Nach einem Antrag mehrerer Staaten, darunter Frankreich, wird der UN-Sicherheitsrat Diplomaten zufolge bereits am Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung zu den Vorgängen in Mali abhalten.
In einer seltenen gemeinsamen Erklärung verurteilten die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union (AU), die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, die EU, die USA und Grossbritannien die Festnahme der Politiker und forderten ihre «sofortige und bedingungslose Freilassung». UN-Generalsekretär António Guterres rief auf Twitter zu Ruhe auf und forderte die «bedingungslose Freilassung» der Politiker.
Die politische Situation in Mali ist seit 2012 von starker Instabilität geprägt. Die meist dschihadistisch motivierte Gewalt hat in den vergangenen Jahren auch die benachbarten Länder in der Sahel-Zone erreicht. Neben der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ist auch Deutschland mit der Bundeswehr im Rahmen von Missionen der EU und der UNO in Mali im Einsatz, um zur Stabilisierung des Landes beizutragen.