Nationalrat politisiert bei der elektronischen ID am Volk vorbei
Eine grosse Mehrheit wünscht sich, dass der Staat für die Ausgabe einer elektronischen ID sorgt. Der Nationalrat will sie Privatunternehmen in Auftrag geben.
Das Wichtigste in Kürze
- Nur zwei Prozent der Bevölkerung will die digitale ID durch Private entwickeln lassen.
- Der Nationalrat interessiert sich wenig für das klare Ergebnis.
- Im Ständerat ist die Stimmung kritischer.
Geht es nach dem Nationalrat, geben private Unternehmen die neue digitale ID heraus. Bei den Stimmberechtigten kommt das ganz schlecht an. In einer Umfrage unterstützen nur gerade zwei Prozent diese Lösung.
87 Prozent der Befragten wünschen sich, dass der Staat für die Ausgabe der elektronischen Identifizierung (E-ID) zuständig ist.
Das teilte eine Allianz, zu der die drei grossen Schweizer Konsumentenschutz-Organisationen und die Digitale Gesellschaft gehören, am Montag mit.
«Digital Natives» vertrauen Privatunternehmen weniger
Gemäss den Umfrageergebnissen ist die Zustimmung zu einer staatlichen Lösung bei der «Generation Smartphone» besonders gross. Die 18 bis 34-Jährigen sprachen sich mit 90 Prozent am deutlichsten dafür aus, dass der Staat die E-ID ausstellt. 75 Prozent vertrauen beim Datenschutz dem Staat mehr als privaten Unternehmen.
Die Umfrage zeigt auch, dass eine Nachfrage nach einer E-ID besteht. 43 Prozent der Befragten würden in den nächsten drei Jahren eine solche beziehen.
Für 39 Prozent besteht hingegen noch keine Notwendigkeit. Als wichtigste Anwendungsgebiete werden E-Government und die politischen Rechte genannt, gefolgt von Online-Banking und Einkäufen im Internet.
Ständerat ist kritisch
Die Allianz sieht sich durch die Umfrageergebnisse in ihrer Kritik bestätigt. Die Sicherung der Identität sei immer schon eine zentrale Staatsaufgabe gewesen, schreibt sie.
Wenn sich das vom Nationalrat beschlossene Konzept auch im Ständerat durchsetze, werde der Staat aber keine E-ID herausgeben. Unternehmen wie UBS, Crédit Suisse, Post, SBB und Swisscom erhielten grosse Freiheiten in der Speicherung und Verwendung privater Daten.
Der Ständerat diskutiert in der Sommersession über das E-ID-Gesetz. Vorgesehen ist, dass der Bund die Identität einer Person prüft und bestätigt. Herausgegeben würde die E-ID von privaten Anbietern, sogenannten Identity Providern (IdP). Diese würden vom Bund überwacht.
Gegner drohen mit Referendum
Im Nationalrat ist dieses vom Bundesrat ausgearbeitete Konzept auf grosse Zustimmung gestossen. In der Ständeratskommission ist die Skepsis grösser.
Diese sprach sich nur knapp dagegen aus, das Gesetz zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückzuweisen. Die Umfrageergebnisse lassen die Lösung jedoch wenig tragfähig erscheinen. Die Gegner haben bereits mit dem Referendum gedroht.
Die repräsentative Umfrage ist vom Marktforschungsinstitut Demoscope durchgeführt worden. Befragt wurden 973 Stimmberechtigte. Auftraggeber ist der Verein PublicBeta, der wie die Plattform WeCollect zur gegnerischen Allianz gehört.