Zentralrat der Juden beklagt «Explosion des Antisemitismus»
Die Juden sind europaweit wieder grösserem Druck ausgesetzt. Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, beklagt wachsenden Antisemitismus.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Aktionsjahr soll das aktuelle jüdische Leben sichtbarer machen.
- Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden fürchtet wachsenden Antisemitismus in Europa.
- Europaweit stellen Sicherheitsbehörden einen Anstieg antisemitischer Straftaten fest.
75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz sieht der Zentralrat der Juden das jüdische Leben in Deutschland unter wachsendem Druck. Vizepräsident Abraham Lehrer beklagte am Dienstag eine «Explosion des Antisemitismus in Europa und Deutschland». Er forderte die Zivilgesellschaft zum Einsatz für jüdisches Leben auf.
Unwissen als Ursache für Anfeindungen
Vielen Deutschen seien die Juden hierzulande fremd – dies solle sich 2021 ändern, wenn in einem Aktionsjahr des 1700. Jahrestags der ersten urkundlichen Erwähnung von Juden in Deutschland gedacht wird.
Lehrer beklagte Unwissen, Desinteresse, Vorbehalte und handfeste Anfeindungen, denen Juden in Deutschland ausgesetzt seien. Zwar gebe es noch «keine Auswanderungswelle» von Juden – «aber dass jüdische Menschen ab und zu darüber nachdenken, ist klar». Vor allem in den sozialen Medien entlade sich der Hass: «Unsere Jugendlichen werden im Netz beleidigt und gemobbt.»
Jüdisches Leben soll sichtbarer gemacht werden
Lehrer äusserte sich auf einer Pressekonferenz in Berlin, auf der das Konzept für das 1700-Jahr-Jubiläum vorgestellt wurde. Den Veranstaltern kommt es vor allem darauf an, das aktuelle jüdische Leben in Deutschland sichtbar zu machen und Berührungsängste abzubauen.
Die Juden gehören zu Deutschland
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte: «Wer etwas kennt, ist weniger empfänglich für Gerüchte und Vorurteile, für Verschwörungstheorien und Hass.»
Den weit verbreiteten «Zerrbildern» solle eine «klare Botschaft» entgegengestellt werden: «Die Geschichte der Juden ist auch in Europa verortet und mit unserem Land fest verbunden», sagte Klein. «Die Juden sind auch Deutschland.»
Jüdische Kultur soll in Schulen gelehrt werden
Die Veranstalter wünschen, dass im kommenden Jahr in allen Schulklassen über den Holocaust, aber auch über die Vielfalt jüdischen Lebens heute in Deutschland gesprochen wird. Öffentliche Veranstaltungen sollen die Beiträge von Juden etwa zu Kultur und Wissenschaft hervorheben.
Der Kuratoriumsvorsitzende des Veranstaltervereins «321», der frühere NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), rief auf der gemeinsamen Pressekonferenz zu zivilgesellschaftlichem Widerstand gegen Antisemiten auf.
«Wir wollen zusammen einen Aufstand gegen Antisemitismus organisieren», sagte er. «Aber wir wollen auch zusammen feiern, und wir wollen, dass unsere jüdischen Mitbürger hier bei uns in Freiheit und ohne Angst leben können.»
Anstieg antisemitischer Straftaten
Europaweit stellen Sicherheitsbehörden derzeit einen deutlichen Anstieg antisemitischer Straftaten fest. Das Bundesinnenministerium verzeichnete 2018 insgesamt 1800 solcher Straftaten in Deutschland - knapp 20 Prozent mehr als im Vorjahr.