Gerber Rüegg (Ja zum Uferweg): «Ufer gehören zur Öffentlichkeit»
Der Kanton Zürich stimmt am 3. März über die Uferinitiative ab. Julia Gerber Rüegg (Ja zum Uferweg) erklärt im Interview, weshalb sie einen Uferweg fordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 3. März 2024 finden kantonale und eidgenössische Abstimmungen statt.
- Im Kanton Zürich wird unter anderem über die Uferinitiative abgestimmt.
- Julia Gerber Rüegg (Ja zum Uferweg) gibt im Interview Auskunft zur Initiative.
Am 3. März wird im Kanton Zürich über die Uferinitiative abgestimmt. Die Initiative fordert durchgehende Uferwege an allen Zürcher Gewässern. Die Initiative wird vom Regierung- und Kantonsrat abgelehnt.
Nau.ch hat mit Julia Gerber Rüegg gesprochen. Die ehemalige Kantonsrätin ist Präsidentin des Vereins «Ja zum Uferweg», welcher die Initiative ins Leben gerufen hat.
Nau.ch: Weshalb sollte die Uferinitiative angenommen werden?
Julia Gerber Rüegg: Die Gewässer und ihre Ufer gehören in der Schweiz der Öffentlichkeit. Wenn etwas öffentlich ist, trägt der Staat dafür die Verantwortung, zum Beispiel für den Naturschutz. Zudem muss, was öffentlich ist, auch öffentlich zugänglich sein.
Die Uferinitiative verbindet die beiden öffentlichen Aufgaben in idealer Weise. Die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung der beiden neuen Verfassungsartikel, sind alle vorhanden. Sie wurden bisher aber nicht konsequent genug umgesetzt. Das ändert die Uferinitiative definitiv.
Nau.ch: Welche konkreten Massnahmen sind geplant, um Tiere und Pflanzen zu schützen?
Gerber Rüegg: Die Uferinitiative ist eine Verfassungsinitiative, welche klare Leitplanken setzt für den Naturschutz und die Erschliessung von Ufern mit Fusswegen. Es geht in dieser Phase des politischen Prozesses nicht darum, über konkrete Projekte zu entscheiden. Mit andern Worten, die Uferinitiative sagt nicht, wo genau in Ufernähe die Fusswege gebaut werden sollen und welche Massnahmen für den Tier- und Pflanzenschutz zu treffen sind.
«Mehrere Beispiele zeigen, wie es gelingt, Naturschutz und Erholung zu vereinbaren»
Das ist Sache der ökologischen und baulichen Detailplanung im Zuge der Projektierung der Uferwege. Die Situation vor Ort ist überall wieder anders und es gilt – wie immer bei öffentlichen Bauvorhaben – die verschiedenen Anliegen und Wünsche zu berücksichtigen. Mehrere Beispiele am Zürichsee zeigen, wie es gelingt, Naturschutz und Naherholung zu vereinbaren.
Nau.ch: Der Uferweg soll aus dem Strassenfonds finanziert werden. Werden dadurch andere Projekte – wie der Ausbau von Strassen zur Reduzierung von Stau – verzögert?
Gerber Rüegg: Der Kantonsrat hat Uferwege vor zehn Jahren schon als Staatsstrassen klassiert, dem Strassengesetz unterstellt und die Finanzierung sichergestellt. Seither müssen jedes Jahr 6 Millionen Franken aus dem Strassenfonds für Uferwege budgetiert werden.
«Dem Strassenbau werden keine zusätzlichen Mittel entzogen»
Diese Mittel sind für ihre Realisierung und die ökologische Aufwertung ausreichend. Dem Strassenbau werden also keine zusätzlichen Mittel entzogen.
Nau.ch: Gemäss dem Regierungsrat belaufen sich die reinen Baukosten des Uferwegs auf 38,2 Millionen Franken. Dazu werden aber noch bis zu 460 Millionen Franken an Entschädigungsforderungen kommen. Wieso sind Sie überzeugt, dass diese vor Gericht «wenig Bestand haben werden»?
Gerber Rüegg: Die Regierung scheint die höchsten Entschädigungsforderungen für Werteinbussen von privaten Liegenschaften zu akzeptieren. Das ist falsch, denn es handelt sich um grobe und pauschale Schätzungen, bei welchen die Rechtsverhältnisse auf den einzelnen Liegenschaften nicht geprüft wurden.
«Rechtslage ist klar»
Viele Eigentümer müssten nämlich kostenlos etwas Land abtreten, wenn Strassen verbreitert oder Uferwege gebaut würden. Diese Bestimmung findet sich in sehr vielen Konzessionen. Das sind Verträge, mit denen die Aufschüttung von Seegrund vom Staat bewilligt und gleichzeitig öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen auf dem neuen Land errichtet wurden.
Die Rechtslage ist klar. Zu diesem Schluss kommt eine im Auftrag der Regierung erarbeitete Studie. Möglicherweise braucht es aber noch ein Leiturteil des Bundesgerichts, bis es alle glauben.
Nau.ch: Sehen Sie alternative Möglichkeiten, um einen Uferweg voranzutreiben, ohne Grundstücksbesitzer zu enteignen?
Gerber Rüegg: Enteignungen sind nicht ganz auszuschliessen. Doch wie oben erklärt, muss nicht viel Land zur Verfügung gestellt werden. Dabei handelt es sich im Normalfall nicht um Enteignungen, sondern Verpflichtungen aus den Verträgen, die den Landbesitz ermöglicht haben. An manchen Orten wird ein Uferweg auch Liegenschaften umgehen müssen, weil beispielsweise Bauten oder Bäume am Ufer stehen.
Das wird sich zeigen, sobald konkrete Projekte ausgearbeitet sind. Viele Landeigentümer werden sich auch Vorteile verschaffen können, wenn sie konstruktiv an den Projekten mitwirken. Die Kosten werden vom Kanton übernommen.
Zur Person: Julia Gerber Rüegg (66) ist ehemalige SP-Kantonsrätin und Präsidentin des Vereins «Ja zum Uferweg», welcher die Uferinitiative lanciert hat. Sie arbeitet als PR-Beraterin und wohnt in Au-Wädenswil.