Klimastreik: Uns geht die Luft nicht aus, wir sind stärker denn je
Der Klimastreik Zürich sucht «dringend» Hilfe. Doch der Klimajugend geht die Luft nicht aus, behauptet sie. Man sei stärker denn je – und denke langfristiger.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Zürcher Klimastreik will von einem Durchhänger nichts wissen.
- Die Bewegung denkt um und will sich regional besser verankern.
- Der mediale Fokus ist vom Klimastreik auf das Coronavirus umgeschwenkt.
«Wir brauchen dringend Hilfe!» heisst es auf der Webseite der Zürcher Klimastreikenden in grossen Buchstaben und mit Ausrufezeichen. Gleich bei zwölf Arbeitsgruppen haben die Klima-Kids anscheinend Personalmangel.
Steckt der Klimastreik in der Klemme?
Gibt es, über ein Jahr nach Beginn der weltweiten Klimastreiks, über vier Monate nach den für sie erfolgreich verlaufenen nationalen Wahlen und fast zwei Monate nach dem letzten grossen Streik einen Hänger in der Bewegung? Steckt der Klimastreik in der Klemme, dass er so energisch Unterstützung zu rekrutieren versucht?
Bei den Zürchern will man davon nichts wissen. «Erstens rekrutieren wir keine Leute», sagt Anja Gada vom Klimastreik Zürich. «Jede und jeder, der oder die im Klimastreik mitmacht, tut dies komplett freiwillig.»
Klimastreik 2020 ist anders
Dass sich der Klimastreik verändert hat, ist hingegen offensichtlich. Im Jahr 2019 waren die Streiks häufiger, präsenter, globaler. Dass weniger Aktionen stattfinden, wollen die Klimastreikenden aber nicht gelten lassen. Die Anlässe hätten sich nur verändert.
«Unsere Aktionen sind gezielter und stammen aus einem langfristigeren Denken als noch vor einem Jahr», so Anja Gada.
Gezielter, langfristiger, regionaler. Die Bewegung will sich seit Februar mit lokalen Klimagruppen besser in der Bevölkerung verankern. Der nächste grosse Anlass findet am 15. Mai statt: «Der Strike for Future soll die ganze Bevölkerung einbinden», verspricht Gada.
Zwei Monate bis zum nächsten grossen Streik
Mehr als zwei Monate bis zum nächsten grossen Klimastreik sind eine vergleichsweise lange Zeit. Und doch stellt sich die Ansetzung aus der aktuellen Perspektive als Glücksfall heraus. Denn derzeit hält das Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt in Atem, in der Schweiz sind Anlässe ab 1000 Personen verboten.
Zwar will sich die Schweizer Klimajugend keine Anlässe verbieten lassen, aber das muss sie derzeit auch gar nicht. Es finden ja vor allem kleinere, regionale Events statt. Und bis am 15. Mai könnte sich die Situation wieder so weit entspannt haben, dass der Bundesrat die besondere Lage wieder aufgehoben hat.
Coronavirus statt Klimastreik
«Uns geht die Luft nicht aus, unsere Bewegung ist stärker denn je», sagt Anja Gada. Das klingt nicht nur angesichts des dringenden Hilfe-Aufrufs des Zürcher Klimastreiks nach einer Durchhalteparole.
Auch der Verlust der medialen Aufmerksamkeit ans Coronavirus ist mehr als augenfällig. Die Schweizer Medien-Datenbank weist für den Februar 2019 345 Artikel zum Klimastreik aus. Für den Februar 2020 sind es nur noch 160.
«Der Coronavirus ist im Vergleich zur Klimakrise ein relativ neuartiges Problem und erhält deswegen unglaublich viel Medienaufmerksamkeit», so Gada. «Wenn das Leben des einzelnen Schweizer Individuums ‹bedroht› ist, wird anders reagiert, als wenn das von Menschen des globalen Südens beziehungsweise Klimaflüchtlingen bedroht wird. Deshalb müssen wir als Klimastreik weiterhin auf die Klimakrise aufmerksam machen, und Klimagerechtigkeit einfordern.»
Das langfristige Denken der Klimastreikenden, es scheint sich bereits auszuzahlen. In Wärmeperioden sinkt die Gefahr durch das Coronavirus wie bei jeder Grippe. Ironischerweise müssen die Klimakids also auch auf steigende Temperaturen hoffen, wenn sie im Mai die Schlagzeilen zurückhaben wollen.