Schweizer Nati: Nach Kritik – Jetzt spricht Nati-Direktor Tami
Nach geschaffter EM-Quali erklärt Pierluigi Tami im grossen Gespräch, was er von der Schweizer Nati erwartet – und wieso Murat Yakin der richtige Trainer ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweizer Nati fährt mit Murat Yakin an die EM 2024 nach Deutschland.
- Nati-Direktor Pierluigi Tami erklärt, wie der Ablauf nach dem letzten Qualispiel war.
- Tami: «Ich unterstütze Yakin zu 100 Prozent, Murat ist unser Trainer!»
Die Schweizer Nati hat turbulente Wochen hinter sich. Trotz erfolgreicher EM-Quali hagelt es Kritik an Trainer Murat Yakin, dem Team – und auch an Pierluigi Tami. Der Nati-Direktor verpasst es, seinem Trainer nach dem Rumänien-Spiel öffentlich den Rücken zu stärken. Das sorgt für Diskussionen.
Am Dienstag schafft der Verband Klarheit: Die Nati fährt mit Murat Yakin an die EM 2024! Und einen Tag später stellt sich Nati-Direktor Tami in mehreren Medienrunden den kritischen Fragen.
Pierluigi Tami erklärt: So lief es nach dem 0:1 in Rumänien ab
«Schon auf dem Rückflug aus Bukarest habe ich mit Murat Yakin gesprochen und gesagt, dass wir nicht ohne Klarheit zur Gruppen-Auslosung reisen. Es wäre ein Fehler gewesen, hätten wir die Analyse erst nach der Auslosung gemacht, wie ich unmittelbar nach dem 0:1 in Rumänien noch angekündigt hatte.
Der Zeitplan war sehr eng, ich habe Druck gemacht, dass es vorwärtsgeht. Der SFV-Zentralvorstand stand rasch zur Verfügung und Murat konnte mir zuvor seine Analyse und Ideen präsentieren. Diese habe ich danach dem Zentralvorstand vorgestellt.»
Verstehen Sie, dass man den Eindruck hatte, dass sie nicht mehr mit Murat Yakin weitermachen wollten?
«Ich war nicht überzeugt von der resultatmässigen Entwicklung, nicht wegen Murat Yakin. Klar, er ist der Trainer. Aber wenn ein Stürmer allein vor dem Goalie verschiesst, kann der Trainer nichts dafür. Die Mannschaft, welche die Tore nicht schiesst, hat mir Sorgen bereitet, nicht der Trainer.
Murat Yakin hat erkannt, wo wir uns verbessern müssen, das hat mich und uns überzeugt. Heute habe ich die Bestätigung: Der Nati-Trainer sieht genau, wo wir ansetzen müssen.»
Haben Sie sich je konkret mit einem Trainerwechsel beschäftigt? Urs Fischer oder Lucien Favre wurden ja ins Spiel gebracht?
«Nein! Ich habe nie einen neuen Nati-Trainer gesucht. Es war auch kein Thema, wir arbeiten beim Verband seriös, der Vertrag hat sich mit der Qualifikation sowieso verlängert. Und man kann auch nie sagen, dass es ein anderer Trainer besser machen würde.
Überhaupt: Die Ansicht, ich hätte Murat Yakin nicht unterstützt, ist komplett falsch. Natürlich war ich mit den Resultaten nicht zufrieden und ich habe mir Sorgen um die resultatmässige Entwicklung gemacht. Darum bin ich glücklich und erleichtert, haben wir die EM-Quali geschafft.
Die Spieler waren zwar immer überzeugt, dass es reicht. Aber was wäre gewesen, wenn nach unserem 1:1 gegen Kosovo Israel nicht gegen Rumänien verloren hätte? Dann wäre der Druck in Bukarest noch deutlich grösser gewesen.»
Was gibt dem Nati-Direktor die Gewissheit, dass Murat Yakin weiterhin der richtige Trainer ist?
«Ich bin sehr froh, dass wir in der Trainerfrage Klarheit schaffen konnten. Es war immer klar: Mit der EM-Qualifikation verlängert sich Yakins Vertrag bis zur Endrunde. Mit Murat haben wir alle sportlichen Ziele erreicht, der Verband hatte keinen Grund, eine andere Entscheidung zu treffen.
Für mich war die Entwicklung der Mannschaft ein wichtiger Teil der Analyse. Die Resultate waren nicht wie gewünscht. Murat Yakin war in seiner Analyse sehr klar, er hat verschiedene Themen und Massnahmen präsentiert, hinter denen ich auch stehe. Ich unterstütze Yakin zu 100 Prozent, Murat ist unser Trainer!»
Wenn man von Murat Yakin überzeugt ist, warum hat man nicht gleich über die EM hinaus verlängert?
«Das war kein Thema für das Treffen mit dem Zentralvorstand. Wir wollten Klarheit schaffen für jetzt und die laufenden Verträge respektieren. Den Rest können wir im Frühling angehen.»
Wie bringen Sie nach Quali-Platz 2 den Wurm wieder aus dem Team?
«Im Fussball kann es schnell runter – auch schnell aufwärtsgehen. Ich habe Murat Yakin erlebt und bin überzeugt, dass wir das Herz und die Leidenschaft zurückbringen werden. Zudem wartet im neuen Jahr die Europameisterschaft auf uns, eine Endrunde ist etwas ganz anderes. Da werden wir andere Mannschaft sehen!
Die Statistiken zeigen: Wir waren in allen Spielen dominanter und gefährlicher als der Gegner. Für mich setzt sich eine Leistung immer aus Kopf, Beinen und Herz zusammen. Mit Kopf und Beinen waren wir bereit, aber vielleicht fehlten zum Teil das Herz und die Emotionen?
Nur ein Gedanke: Wir waren zum ersten Mal der Favorit in einer Gruppe. Vielleicht waren sich einige Spieler auch zu sicher, dass wir uns qualifizieren? Murat Yakin hat eine seriöse Analyse gemacht und versteckt sich nicht hinter der Dominanz auf dem Papier. Er hat festgestellt, dass es in verschiedenen Bereichen Interventionen braucht.»
Nau.ch kommt auf das kritische Interview von Granit Xhaka nach dem Kosovo-Spiel zu sprechen und wünscht eine klare Ansage: «Wieso haben Sie den Nati-Captain danach nicht öffentlich abgemahnt und klare Grenzen aufgezeigt?»
«Nach dem Kosovo-Spiel und dem Interview von Granit habe ich interveniert. Ich habe Granit gesagt, dass er einen Fehler gemacht hat. Und ich habe gefordert: Wenn Granit Xhaka und Murat Yakin ein Problem miteinander haben, sollen sie das vor dem Andorra-Spiel klären. Die beiden haben sich unter vier Augen ausgesprochen.
Zwischen den beiden gibt es keine Probleme, beide haben mir versichert, dass alles okay ist. Vielleicht habe ich die öffentliche Wirkung unterschätzt. Aber für mich war das Problem danach geklärt, eine Strafe war nicht nötig.»
Welche Änderungen sind nach der Analyse in den nächsten Monaten geplant?
«Murat Yakin setzt die Hebel an den richtigen Stellen an und wir als Verband unterstützen ihn bei der Umsetzung. Im März haben wir zwei Testspiele, bis dahin muss ein grosser Teil dieser Massnahmen umgesetzt sein. Yakin hat Wünsche, die ich erfüllen will. Sei es bezüglich Staff oder Spieler. Es ist zum Beispiel denkbar, dass wir zusätzliche Mitarbeiter integrieren, einen zweiten Assistenztrainer. Wir sprechen sicher auch über den aktuellen Staff.»
Ist Vincent Cavin im März nicht mehr Assistent von Murat Yakin?
«Vincent Cavin hat uns vor dem letzten Nati-Zusammenzug darüber informiert, dass er ein Angebot von Lausanne-Sport hat (als Sportchef, d.Red.). Darüber haben wir auch mit Murat Yakin gesprochen. Diese Situation könnte also eintreten, je nachdem, was Murat oder Vincent für eine Entscheidung fällen.»
Hier interveniert Nau.ch und hakt nach: «Für Sie als Nati-Direktor ist Vincent Cavin aber eine wichtige Person?»
«Die Situation ist neu: Vincent Cavin hatte unter Petkovic und Hitzfeld andere Aufgaben, er war Analyst. Jetzt ist er erstmals Assistenztrainer, das ist eine neue Erfahrung. Vielleicht sieht Murat Yakin in Zukunft die Möglichkeit für einen zweiten Assistenten.»
Nau.ch: «Das heisst, es wird eine neue Person gesucht, die andere Kriterien erfüllt, vielleicht als Anlaufstelle für die Spieler? Mit Vincent Cavin geht es doch sowieso nicht mehr weiter, oder?»
«Murat kann entscheiden, wie er seinen Trainerstaff zusammenstellt. Wenn er eine neue Person will, muss diese gut hineinpassen. Der Staff hat bisher sehr professionell gearbeitet. Aber wenn Murat heute der Meinung ist, er braucht ein anderes Element: Er ist der Trainer! Es ist richtig und wichtig, dass wir seine Wünsche erfüllen können.»
Nau.ch: «Das heisst, wenn Murat Yakin sagen würde, er will nicht mehr mit Cavin arbeiten – würden sie ihn dann bedingungslos unterstützen?»
«Unabhängig von der Person: Der Trainer hat die Kompetenz, seinen engsten Staff zusammenzustellen. Er ist der Chef im Trainerteam!»
So geht der Nati-Direktor mit der Kritik an seiner Person um
«Dazu mache ich mir keine Gedanken. Es interessiert mich nicht, was die Medien über mich schreiben. Ich habe dem Verband meine Vision 2026 auch mit allen unseren Nachwuchsauswahlen präsentiert, nach drei Jahren haben wir schon fast alle Ziele erreicht. Der SFV ist bereit, den Weg bis 2026 mit mir zu gehen, ich mache meinen Job. Meine letzte Sorge ist meine eigene Zukunft.»
Das erwartet Pierluigi Tami im EM-Jahr 2024
«Es ist sicher auch ein Thema aus Yakins Analyse, wie wir mit der neuen Generation umgehen. Das ist auch für mich wichtig. Darum haben wir auch Fabian Rieder und Ardon Jashari an die letzte WM mitgenommen, damit sie Erfahrungen sammeln.
Auch sonst ist der Prozess im Gang: Statt Mehmedi, Gavranovic oder Seferovic haben wir Vargas, Okafor, Ndoye oder Amdouni integriert. Und es kommen immer wieder neue, Filip Ugrinic ist so ein Beispiel. Das geht aber alles nicht von heute auf morgen.
Für die EM-Auslosung müssen wir realistisch sein: Wir sind in Lostopf vier. Das bedeutet, dass wir gegen drei stärkere Teams ran müssen. Wir haben aber in der Vergangenheit immer gute Resultate gemacht und fahren mit Ambitionen an die Endrunde. Der Achtelfinal muss unser Ziel sein. Wir wären aber auch bereit, wenn es noch weiter gehen würde.»