Roger Federer: Wann dürfen Männer weinen?

Micha Zbinden
Micha Zbinden

Grossbritannien,

Dieses Bild von Roger Federer und Rafa Nadal geht um die Welt. Die beiden Tennis-Legenden halten gemeinsam Händchen und weinen. Ein Kommentar.

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Das geht ans Herz: Roger Federer weint in der Nacht auf Sonntag nach seinem Rücktritt in London gemeinsam mit Frau Mirka und den Kindern. - SRF

Das Wichtigste in Kürze

  • Roger Federer beendet am Laver Cup in London seine fantastische Karriere.
  • Mit seinem Freund Rafael Nadal teilt er öffentlich seine Emotionen.
  • Abseits des Sports sind Männertränen oftmals verpönt. Wie lange noch?

Hilfe, das Sportbild des Jahres 2022 mit Roger Federer (41) und Rafa Nadal (36) überfordert mich. Die beiden Tennis-Helden sitzen in der vollen O2-Arena in London gemeinsam auf einer Bank, halten Händchen und weinen hemmungslos.

Federer Nadal
Roger Federer und Rafael Nadal halten weinend Händchen. - Twitter / @RelevantTennis

Ich fühle mich hin- und hergerissen. Einerseits sind diese Bilder rührend, anderseits frage ich mich, ob so viele feuchte Emotionen wirklich nötig sind.

«Männer weinen heimlich», singt Herbert Grönemeyer im Lied «Männer». «Aussen hart und innen ganz weich.» Kennt Roger Federer diesen Song etwa nicht?

Dürfen Männer so weinen wie Roger Federer?

Unser Tennis-Held geht an seinem Abschiedsabend noch einen Schritt weiter. Der Maestro hat uns in seiner unfassbaren Karriere nämlich nicht nur den perfekten Lob-Tennis-Schlag oder den «Tweener» durch die Beine gelehrt. Sondern jetzt auch noch, wie man in Gruppen gemeinsam weint! Wie bitte?

Ja, beispielsweise auch in der Familie. Papi Roger nimmt nach dem Spiel seine beiden Buben (8) in den Arm. Dann küsst er die Zwillinge Myla Rose und Charlene Riva (13) auf die Haare. Er umarmt seine ganze Familie, auch die Kids weinen. Mirka (44) küsst ihren Roger mit Tränen zärtlich auf die Wange. Immer wieder. Das berührt.

Oder ist der Roger eben doch ein Weichbecher? Zu nahe am Wasser gebaut? Nein.

Marco Odermatt dankt Roger Federer für die Tränen

Federer hat seinen Emotionen freien Lauf gelassen, und zwar vor der ganzen Welt. Und sein Freund und Rivale Rafa Nadal hat mitgeweint, ohne sich dabei etwas zu überlegen. Wie befreiend!

Darüber freut sich auch Ski-Star Marco Odermatt, der in London mit dabei war. «Das ist genau das, um was es im Sport geht. Ein Vorbild zu sein und Emotionen zu teilen. Danke für die Tränen.»

Männer weinen höchstes zweimal im Jahr

Eine Studie sagt, dass Frauen im Schnitt ein- bis zweimal im Monat weinen, Männer höchstes zweimal im Jahr. Meistens wohl heimlich. Männer, die öffentlich weinen, bleiben eine Seltenheit.

Micha Zbinden
Micha Zbinden, Publizistischer Leiter bei Nau.ch. - Nau.ch

«Wann ist ein Mann ein Mann?»

Gesellschaftlich erlaubt sind Sieges- und Freudentränen – und dann grad noch eine kleine Einheit im Trauerfall. Abseits des Sports, im Berufsleben, bleiben Männertränen verpönt. Oder darf ein Anwalt im Gerichtsaal weinen, weil er einen Fall verloren hat? Oder der Versicherungsexperte, weil er den lukrativen Auftrag nicht erhalten hat? Nein, da kennen wir kein Pardon. Härte und Stärke sind bei richtigen Typen gefragt.

«Wann ist ein Mann ein Mann?», fragt Grönemeyer im Lied. Künftig möglicherweise auch einer, der weinen darf und sich dessen nicht schämt. So wie Roger und Rafa.

Denn das Lied geht so weiter: «Männer brauchen viel Zärtlichkeit. Oh, Männer sind so verletzlich.»

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