WM-Land Katar (2): Perlen, Erdöl und Alkoholverbot
Früher waren es Perlen im Meer, heute heisst eine künstliche Insel so: Katar hat für Besserverdienende viele Annehmlichkeiten bereit. Und das hat seinen Preis.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Emirat Katar verdankt seinen Reichtum heute reichen Öl- und Gasvorkommen.
- Er manifestiert sich in der Architektur mit europäischen Bauten und künstlichen Inseln.
- Die Katarer haben starkes Geschichtsbewusstsein und islamische Kultur prägt den Alltag.
Die Fussball-WM findet in diesem Jahr in einem Land statt, das in vielen Punkten ausserordentlich ist. Neben dem Klima gehört dazu die jüngste wirtschaftliche Entwicklung, die sich unter anderen in der Architektur manifestiert, und deren Eingebettetsein in eine zutiefst konservative islamische Kultur.
Aufstieg dank Öl und Erdgas - und Gastarbeitern
Bevor 1939 in Katar Erdöl entdeckt wurde, lebte das Land vom Perlenhandel. Die Wirtschaft war mit dem Aufkommen japanischer Zuchtperlen in den 1930er-Jahren aber weitgehend zusammengebrochen. Katar erlebte schwierige Jahre, die dem Land ins kollektive Gedächtnis gewachsen sind.
Die Erschliessung der ersten Erdölvorkommen brachte ab Mitte des 20. Jahrhunderts Aufschwung, riesige Erdgasfelder halfen dem Emirat schliesslich zum heutigen Wohlstand.
Doch den rasanten Aufstieg verdankt der Golfstaat auch den Millionen von südasiatischen Gastarbeitern, die überall im Alltag präsent sind, ob im Baugewerbe, im Taxi, der Hotellobby oder im Restaurant.
Aktuell hat nur etwa jeder zehnte Bewohner der absoluten Monarchie die katarische Staatsbürgerschaft.
Das Emirat wird immer wieder wegen systematischen Menschenrechtsverstössen und der Ausbeutung von Migranten kritisiert. Die Regierung weist die Vorwürfe zurück und führt Reformen an.
Noch wenige Monate vor Beginn der Fussballweltmeisterschaft wird überall gebaut. Besucher können Doha beim Wachsen quasi zuschauen. Die vielen Baustellen der auf Autos ausgelegten Stadt zwingen die Taxifahrer oft zu Umleitungen.
Klein-Venedig auf der künstlichen Insel
Wer gerne Strecken zu Fuss zurück legt, tut dies am besten in den Szenevierteln wie Muschairib, auf dem Basar oder an Hafenpromenaden entlang der Bucht. An anderen Orten sucht man hingegen oft vergeblich nach Fusswegen.
Längere Wege werden daher mit dem Taxi oder der U-Bahn zurückgelegt, deren futuristisch designte Haltestellen an Kulissen aus Science-Fiction-Filmen erinnern.
Sehenswert sind die Viertel auf der künstlich angelegten Insel The Pearl («Die Perle») im Norden der Hauptstadt. Neben Ankerplätzen für Yachten aller Grössen wurden Ausgehmeilen, Villen und Luxus-Hochhäuser errichtet, die vor allem Besserverdiener anziehen sollen.
Die Architektur bricht hier mit dem traditionellen Stil, viele Quartiere sind europäischen Städten nachempfunden. So gibt es ein Viertel im venezianischen Stil. Zahlreiche Verkaufsflächen bekannter Sportwagenmarken erinnern an die wohlhabende Zielgruppe der «Perle».
Kein Ort für ausgeprägtes Nachtleben
Die kompakte Grösse des kleinen Emirats sehen manche als Vorteil, nicht nur für die WM. Kultur, Wassersport oder Trips in die Wüste: «Katar bietet das Beste des Nahen Ostens in kompakter Form», findet Berthold Trenkel, Leiter der Tourismusbehörde.
Wer hier aber nach Bars oder Kneipen sucht, wird vermutlich enttäuscht werden. «Wir sind nicht für unser Nachtleben bekannt», sagt Trenkel. «Wenn Sie also danach suchen, ist Katar wahrscheinlich nicht das beste Ziel.»
Alkohol wird im Land nur an lizenzierten Orten verkauft, im Supermarkt gibt es nichts. Am ehesten wird man noch in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels fündig.
«Wir haben immer noch eine sehr stolze Bevölkerung, die sich um die Geschichte und das Erbe kümmert», sagt Tourismusmanager Trenkel. Das katarische Geschichtsbewusstsein fällt Besuchern an fast jedem Winkel auf, ob im sehenswerten Nationalmuseum oder im Museum für Islamische Kunst, das wenige Monate vor WM-Beginn noch renoviert wurde.
Auf die islamische Kultur einstellen
Wer das Land bereist, sollte sich bewusst sein: «Es ist eine islamische Kultur, es ist ein konservatives Land, und das bringt Dinge wie die Kleiderordnung mit sich«, sagt Trenkel. «Man rennt nicht in unangemessener Kleidung herum.»
Was das in der Praxis bedeutet, zeigt beispielsweise ein «Verkehrsschild» bei einem Anbieter für Wassersport: Bikinis verboten. Auch mit dem Austausch von Zärtlichkeiten, die in der islamischen Welt in den privaten Raum gehören, sollte man in der Öffentlichkeit höchst zurückhaltend sein.