Gibts Überraschung bei Papst-Wahl? – «Ganz sicher»
Das Konklave wird in den kommenden Tagen zu vielen Diskussionen führen. Denn mit der Papstwahl entscheidet sich auch die Zukunft der Kirche.

Das Wichtigste in Kürze
- Konservative hoffen auf ein Comeback nach dem progressiven Kurs unter Franziskus.
- Viele Kardinäle stammen aus der Peripherie – das Wahlverhalten ist kaum vorhersehbar.
- Der nächste Papst muss Franziskus’ Impulse in verbindliche Reformen übersetzen.
In rund zwei Wochen wird im Konklave der neue Papst gewählt. Die Kardinäle werden nicht nur den Nachfolger von Franziskus bestimmen. Sondern auch die Richtung definieren, in welche die katholische Kirche in den kommenden Jahren steuern wird.
«Es gibt bereits jetzt ein heftiges Tauziehen um die künftige Ausrichtung der Kirche», sagt Theologe Daniel Bogner.
Nach Franziskus' Reformen wollen Konservative zurück an die Macht
Der Professor der Universität Freiburg glaubt: «Vertreter des konservativen Flügels haben auf diesen Moment gewartet und hoffen nun wieder auf Oberwasser.»
Denn: Franziskus, bürgerlich Jorge Mario Bergoglio, galt als Hoffnungsträger des progressiven Flügels. Und auch wenn er vielen Europäern zu verhalten blieb: Reformen hat Franziskus durchaus angestossen.

Der Theologe und freie Journalist Francesco Papagni erklärt: «Bergoglio kam nicht mit einer mitteleuropäischen Reformagenda nach Rom.» Er wollte der Kirche im Sinne der Bergpredigt die Barmherzigkeit zurückbringen. «Und das hat er voll durchgezogen.»
Auch Bogner anerkennt die Veränderungen der Kirche unter Franziskus: «In der Kirche wird seit seinem Pontifikat plötzlich wieder offen und ohne Scheuklappen diskutiert und gestritten. Die Theologie traut sich wieder zu sagen, was sie denkt.»
Das sei nicht zu unterschätzen, aber nur ein Beginn: «Die Aufgabe des Nachfolgers wird sein, die Impulse von Franziskus in gültige neue Regeln und Verfahren zu übersetzen.»
Setzt sich erneut ein Aussenseiter durch?
Bezüglich Nachfolger gilt im Vatikan das Sprichwort: «Chi entra papa ner conclave, ne risorte cardinale», also: «Wer als Papst ins Konklave hineingeht, kommt als Kardinal heraus.»
Bedeutet: Es wird selten der im Vorfeld als Favorit gehandelte Kandidat dann auch tatsächlich gewählt. Auch Bergoglio gelang die Wahl auf den Heiligen Stuhl als Aussenseiter.
Gibt es auch im Konklave 2025 eine Überraschung? «Ganz sicher», sagt Papagni. «Bergoglio hat in seinem Pontifikat viele Kardinäle aus der Peripherie ernannt. Deren Wahlverhalten ist kaum vorherzusagen.»
Bogner pflichtet ihm bei: «Das Wahlgremium ist so unkalkulierbar wie nie zuvor. Viele Kardinäle sind nicht vertraut damit, sich hinter den Kulissen abzustimmen und Bündnisse zu schmieden.»
Konservativismus oder Wandel? «Das ist die Gretchenfrage!», sagt Papagni.
Er geht davon aus, dass der moderat-progressive Flügel die besseren Chancen hat. «Franziskus hat viele Kardinäle eingesetzt, die nicht ultra-konservativ sind.»

Bogner ist mit seiner Prognose vorsichtiger: «Man muss sehen, dass Franziskus auf einem Grat gewandelt ist mit seinem Weg der vorsichtigen Öffnung. Er wollte Schritte nach vorne gehen, ohne grössere Teile der Kirche dabei zu verlieren.»
Das gehöre zur DNA des Papstamtes, das sich wesentlich als Amt der Einheit verstehe.
Der Papst kann nicht im Alleingang bestimmen
Auch Papagni sagt: «Man muss loskommen vom Bild, dass die katholische Kirche eine Pyramide ist. Sie ist ein Supertanker. Der Papst ist der Kapitän, aber verfügt über eine grosse Mannschaft.»
Der Papst habe durchaus einen grossen Einfluss auf die Kirche und deren Ausrichtung. «Er kann aber nicht im Alleingang bestimmen, dass Frauen ab morgen Priesterinnen werden dürfen.»
Für Bogner ist klar: «Die Kirche nach Franziskus wird definitiv eine andere sein als die vor ihm. Ein autoritärer Leitungsstil wird nicht mehr akzeptiert werden.»
Auch ganz grundsätzlich sieht Bogner die katholische Kirche an einem entscheidenden Punkt: Sie müsse «inmitten einer Zeit, in der beinahe alles auseinanderfällt, eine Idee von Zusammenbleiben, Einheit und gegenseitiger Verantwortung verkörpern.»
Zugleich müsse diese Einheit aber der Vielfalt und Unterschiedlichkeit menschlicher Lebensentwürfe und kirchlicher Wirklichkeiten weltweit gerecht werden. «Eine Herkulesaufgabe!»
Die Chancen des Schweizer Kardinals Kurt Koch
Bleibt aus Schweizer Sicht die Frage: Welche Chancen hat Kardinal Kurt Koch auf das Papstamt? Immerhin gibt es durchaus Stimmen, die ihn als «papabili», also «papstfähig» bezeichnen.
«Koch kann es sowohl mit dem progressiven, als auch mit dem konservativen Flügel gut», erklärt Papagni.
Sollte es zu einer Pattsituation kommen, bei der kein Lager eine Mehrheit findet, könnte ein Kompromisskandidat wie Koch gewählt werden. «Als gross würde ich seine Chancen dennoch nicht bezeichnen.»