Ukraine-Krieg: Bund & Kantone informieren über Lage der Geflüchteten
Bereits über 37'000 Menschen sind vor dem Ukraine-Krieg in die Schweiz geflüchtet. Die Fachpersonen des SEM und der Kantone informieren über die aktuelle Lage.
Das Wichtigste in Kürze
- 30'551 Personen, die vom Ukraine-Krieg geflüchtet sind, haben den Schutzstatus S erhalten.
- Insgesamt haben bereits 37'435 Geflüchtete die Schweiz erreicht.
- Bund und Kantone informieren über die aktuelle Lage.
Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, haben bereits 4,1 Millionen Menschen das Land verlassen. Gemäss neuesten Angaben des Staatssekretariats für Migration SEM sind davon 37'435 in die Schweiz geflüchtet. Den Status S haben bereits 30'551 Personen erhalten.
Gemäss David Keller gingen derzeit täglich noch rund 700 bis 800 Gesuche von Geflüchteten aus der Ukraine ein. Im selben Takt würden sie verarbeitet. Der Leiter des Krisenstabs Asyl im SEM spricht langsam von einer Normalisierung. «Inzwischen können wir sagen, wir haben das im Griff.»
Die Registrierung und Unterbringung hatte die Behörden arg an ihre Grenzen gebracht. Deshalb hat das SEM versucht, 300 zusätzliche Personen anzustellen – Ende März waren davon erst 130 Stellen besetzt. Mit der Öffnung von Militärturnhallen in Thun BE und Chamblon VD wurden zusätzliche Plätze zur Aufnahme geschaffen.
Knackpunkt kantonale Verteilung der Flüchtlinge
Seit Jahrzehnten würden die Asylsuchenden proportional zur Bevölkerung der Kantone verteilt. Es gelte, die Last auf alle zu verteilen und die Solidarität spielen zu lassen, so Keller. Doch nun gebe es beträchtliche Differenzen zu dieser Quote. Es gebe Kantone, die bereits doppelt so viele Personen aufgenommen haben, als vorgesehen. Genaue Zahlen zu den Kantonen konnte das SEM jedoch auf Nachfrage einer Journalistin keine nennen.
Sehr belastet seien städtische Kantone wie Basel, Bern, das Tessin und Zürich, namentlich die Stadt Zürich, sagte Gaby Szöllösy. Stark belastet ist aber auch der kleine Kanton Appenzell Ausserrhoden, der Waisenkinder beherbergt.
«Die Kantone und auch wir sind der Überzeugung, dass es wichtig ist, dass wir wieder zu einer proportionalen Verteilung zurückkommen», so Keller weiter. Deswegen werde die Flüchtlingshilfe die proportionale Verteilung ab kommenden Montag wieder aufnehmen. Dies könne dazu führen, dass Personen nicht mehr bei ihrer Familie untergebracht werden.
Ausnahmen gebe es weiterhin, doch die Regeln dafür seien restriktiv. Davon ausgenommen sind Geflüchtete, die über eine längere Zeit bei nahen Verwandten wohnen können wie auch verletzliche Personen, die eine besondere Betreuung brauchen. Zur Kernfamilie gehören Eltern, Grosseltern oder Kinder.
Das SEM wünsche sich eine Vereinbarung zwischen Privaten und Geflüchteten für eine Aufnahme während mindestens drei Monate. «Dann sind die Chancen höher, dass sie berücksichtigt wird.» Rückwirkende Umverteilungen werde es keine geben.
Bereits mehr Asylsuchende als im Krisenjahr 2015
Gaby Szöllösy, Direktorin der kantonalen Sozialdirektoren, entschuldigte sich für die Schwierigkeiten, auf die Gastfamilien und Schutzsuchende stossen. Sie wies darauf hin, dass die Schweiz in diesem Jahr mit 44'000 bereits mehr Asylsuchende aufgenommen habe, als im Krisenjahr 2015.
Die Kantone seien froh über den Entscheid, die Zuweisung nach dem Asyl-Verteilschlüssel vorzunehmen. Der Verteilschlüssel nach Bevölkerungsproporz habe sich bewährt, so Szöllösy.
Die stark belasteten Kantone könnten eine überproportionale Zahl von Geflüchteten nicht auf die Dauer hinnehmen. Da müssten Kinder eingeschult, Sozialhilfe und vieles mehr geleistet werden. Zudem bestehe bei ihnen das Risiko, «dass man früher unter Tag gehen muss»; also Zivilschutzanlagen öffnen.
Die grosse Zahl an Behördengängen liesse sich nicht verhindern. In der Schweiz seien unterschiedliche Behörden für Krankenkassen, Sozialhilfe, Ausweise und Ähnlichem zuständig – dies gelte auch für Schweizer. Der Unterschied sei, dass die Asylsuchenden dies nun alles auf einmal erledigen müssten.
Spracherwerb aus Behördensicht zentral
Kantone und Gemeinden rechnen in den kommenden Wochen und Monaten mit einem starken Anstieg der Nachfrage nach Integrationsangeboten. Wartezeiten und auch Enttäuschungen bei den betroffenen Geflüchteten aus der Ukraine seien wohl nicht zu vermeiden.
Zentral sei in einem ersten Schritt das Erlernen einer Landessprache, sagte Nina Gilgen, Co-Präsidentin der Konferenz der kantonalen, kommunalen und regionalen Integrationsdelegierten (KID). Denn der Spracherwerb sei der Schlüssel dazu, dass jemand arbeiten könne. Die Schweiz stehe vor einer grossen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, so Gilgen.
Folgende Fachleute nahmen teil:
- David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration SEM
- Gaby Szöllösy, Generalsekretärin, Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren SODK
- Nina Gilgen, Präsidentin der Kantonalen Integrationsdelegierten KID und Leiterin Fachstelle Integration, Kanton Zürich