Dorfleben: Scheidungsraten auf Land und in Stadt unterscheiden sich
Das Dorfleben scheint dem Eheglück nicht gut zu bekommen. Denn: Bei den Gemeinden mit den höchsten Scheidungsraten handelt es sich um Dörfer.
Das Wichtigste in Kürze
- Gemäss Statistik halten zwei Drittel aller Schweizer Ehen.
- Die Kantone Jura, Tessin und Neuenburg sind Scheidungshochburgen.
Grundsätzlich hält das Bundesamt für Statistik (BFS) eine gute Nachricht für Eheleute bereit: Nachdem die Scheidungsrate lange bei fast 50 Prozent lag, bewegte sie sich in den letzten Jahren bis unter die 40-Prozent-Marke. Dass es seither wieder mehr Scheidungen gab, könnte mit der Corona-Pandemie und der erzwungenen Nähe zu tun haben.
Doch hat das Dorfleben einen grossen Einfluss auf die Scheidungsraten?
Deutschschweizer sind treu(er)
Ob es nun Treue ist oder einfach eine konservativere Einstellung: Die Scheidungshochburgen des Landes liegen fast alle in der Westschweiz und im Tessin. Kantonal betrachtet lagen im Jahr 2021 Jura (2,4 Scheidungen auf 1000 Einwohner), Genf (2,1) und Neuenburg (2,1) an der Spitze. Gefolgt von der Waadt, dem Wallis und dem Tessin (2,0).
Spitzenreiter ist der Statistik zufolge das nur 1000 Einwohner zählende Dorf Bodio TI: Hier gab es nur eine Hochzeit und dafür neun Scheidungen. Den zweiten Platz teilen sich Cudrefin VD und Thundorf TG mit einer Quote von 50. Danach folgen Stein AR, Unterlangenegg BE, Oberwil bei Büren BE und Ténevon VD mit 40,0.
Umgekehrt befinden sich die Gemeinden mit den geringsten Scheidungsquoten allesamt in der Deutschschweiz.
Besonders treu sind sich die Einwohnerinnen und Einwohner von Steinen SZ. Dort heirateten 21 Paare – und nur eines liess sich scheiden. Dies entspricht somit einer Quote von 0,48. Auf den weiteren Plätzen folgen Grindelwald BE (0,56), Büron LU (0,63) und Obergösgen SO (0,67).
Warum trennen sich mehr Menschen im Dorfleben?
Vermutet wird eine verzögerte Reaktion, da das traditionelle Dorfleben noch viel länger von Zwängen geprägt war. Als die Scheidungsraten ab 1970 stark anzusteigen begannen, waren die Städte Vorreiter. Im Dorf blieben die Menschen dagegen noch zusammen – teilweise aus Liebe, teilweise aber auch durch den konservativen gesellschaftlichen Druck.
Mit Beginn des neuen Jahrtausends wandelte sich das Bild allmählich. Eine jüngere Generation bringt nun auch auf dem Dorf den Mut zur schnelleren Trennung auf. In den Städten sinken die Scheidungsraten derweil wieder, weil viele Paare von Anfang an ohne Trauschein zusammenleben. Auch dieser Trend dürfte die Dörfer bald erreichen.
Sommerferien als Katalysator für Scheidungen
Ein weiteres interessantes Merkmal der Statistik: Nach einem Sommerloch mit wenigen Scheidungen folgt Ende August eine grosse Welle. Über Jahre hinweg betrachtet werden an keinem Tag so viele Scheidungen eingereicht wie am 26. August, so das BFS.
Auch hier liegt der Grund auf der Hand: In den Sommerferien und im Urlaub verbringen Paare häufig erstmals wieder viel Zeit miteinander. Dabei merken sie dann, dass sie sich eigentlich nichts mehr zu sagen haben. Und so wird nach dem Urlaub dann die Scheidung im Dorfleben eingereicht.