Warum etwas mehr vegan dem Strategiepapier des Bundes guttun würde
Mehr vegan statt Fleisch ist gut für die Umwelt. Dennoch klammert der Bund in seiner neuen Nachhaltigkeitsstrategie die Auswirkungen der Massentierhaltung aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» erklärt die Nachhaltigkeitsziele des Bundes.
- Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion zählen zu den Schwerpunktthemen.
- Die Kritik am Entwurf des Strategiepapiers ist gross.
- Der Bund verpasst es, konkrete Massnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu benennen.
Letzte Woche endete die Vernehmlassung zur «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030» des Bundes. Das Strategiepapier wurde stark kritisiert. Zu wenig konkrete Lösungen, wenig ambitioniert und wichtige Problemfelder werden nicht angesprochen, so die Kritiker.
«Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion» und «Klima, Energie, Biodiversität» wurden dabei als zwei der wichtigen Handlungspunkte identifiziert. Das ist begrüssenswert. Enttäuschend ist allerdings, dass die Problematik der Tierprodukte in diesem Kontext komplett ausgeklammert wird.
Nutztierhaltung hat gravierende Auswirkungen auf Klima und Umwelt
Der Schweizer Think Tank Sentience Politics verweist darauf, dass Tierprodukte das hauptsächliche Problemfeld im Bereich der umweltschädlichen Nahrungsmittelproduktion sind.
Die Organisation rechnet in seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung vor, dass die Schweizer Landwirtschaft 6.51 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich emittiert. Das sind circa 14 Prozent der landesweiten Gesamtemissionen (Stand Juli 2019).
Die Nutztierhaltung ist für rund 85 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig importiert die Schweiz jährlich über eine Million Tonnen Futtermittel. (Unter Anderem 280’000 Tonnen Soja, wovon fast 100’000 Tonnen aus Brasilien stammen).
Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig, dass tierische Produkte eine grössere Auswirkung auf die Umwelt haben als pflanzliche Erzeugnisse. Dass der Bundesrat deshalb Fakten wie diese nicht konkret benennt oder Tierprodukte als Fokusbereich der Nachhaltigkeitsstrategie identifiziert, ist nicht verständlich.
Dabei wäre «mehr vegan» eine einfach umsetzbare Massnahme
Dass die pflanzliche Ernährung gut für die Umwelt ist, bestätigen auch andere Organisationen.
Ein im Februar veröffentlichter UN-Umweltbericht warnt, dass unser Ernährungssystem die Biodiversität bedroht. Laut der Studie ist unser übermässiger Fleischkonsum der grösste Umweltzerstörer. Nur eine Ernährung, die vermehrt vegan ist, könnte die Vernichtung des natürlichen Lebensraumes aufhalten.
Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) benennt die Tierhaltung als den zweitgrössten Verursacher von Treibhausgasemissionen. Auch sei die industrielle Massentierhaltung mitverantwortlich für Abholzung, Wasser- und Luftverschmutzung.
Bevölkerung isst bereits vermehrt vegan
Die Schweizer Bevölkerung jedenfalls scheint in ihrem Konsumverhalten weiter zu sein, als der Bundesrat in seiner Nachhaltigkeitsstrategie. In der Studie «Plant Based Food Report» fand Coop heraus, dass immer mehr Schweizer zu pflanzlichen Ersatzprodukten greifen.
Ebenso richtet sich die Wirtschaft an den veränderten Konsumgewohnheiten aus. Unilever beispielsweise investiert massiv in Produkte, die vegan sind. Der Konzern liess sich die Gründung eines Lebensmittel-Innovationszentrums rund 85 Millionen Euro kosten. Die Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte ist einer der Schwerpunkte.
Es ist deshalb enttäuschend, dass der Bund in seinem Strategiepapier sich nicht mutiger zeigt und die Zeichen der Zeit ignoriert. Die Schweiz könnte in der nachhaltigen Ernährung eine Vorreiterrolle einnehmen.
Im Strategiepapier winden sich die Verfasser in theoretischen Konstrukten ohne konkret zu werden. Sentience Politics befürchtet deshalb, dass der daraus resultierende grosse Interpretationsspielraum dazu führen könnte, Massnahmen nicht ernsthaft genug umzusetzen.
So bleibt die Verantwortung letztendlich den Konsumenten überlassen, die angesichts des fortschreitenden Klimawandels freiwillig vermehrt pflanzlich essen sollten.
Nau Vegan
Im Rahmen dieser Serie schreibt die Expertin Mirjam Walser regelmässig Beiträge zum Thema Veganismus. Sie hat ein veganes Start-up-Netzwerk aufgebaut und schreibt derzeit an einem Buch über Veganismus.