Ostafrika: Die Trauminsel Sansibar trotzt der Pandemie
Das Wichtigste in Kürze
- Die Insel Sansibar wird seit 1964 dem ostafrikanischen Tansania zugeordnet.
- Das Leben findet vor allem draussen statt und trotzt so ganz entspannt Corona.
- Die Insel reizt mit Öko-Luxus, der Unesco-geschützten Altstadt und Gewürzfarmtouren.
- Auch hat es Unterkünfte jeder Klasse und eine feine Kultur der einfachen Freuden.
Im gelben Anzug spielt Geiger Buja Ali unter einem Mangobaum ein fröhliches Lunch-Konzert für rund 20 Picknickgäste.
Sie kommen aus Deutschland, Polen, den USA und der wenige Autominuten entfernten Hauptstadt Sansibar City. Einige von ihnen leben hier, die meisten sind in den Ferien – mitten während Corona.
Mwatima Juma ist die Chefin der Farm, die an diesem Tag die bunte Gästeschar empfängt.
Auf Bastmatten und hübsch eingedeckten Paletten kredenzt sie ein Büfett landestypischer Swahili-Spezialitäten, von Bananen in Kokosnusssauce bis Poulet-Curry, alles aus eigener Zucht.
Juma, 54, ist promovierte Agroökonomin und ein Vorbild für viele. Sie organisiert auf der tansanischen Ferieninsel Sansibar eine Art grüne Kiste, einen Lieferservice für Haushalte und Hotels.
Ausserdem ist sie Mutter des neuen jungen Wirtschaftsministers Mudrick R. Soraga, der den Verkauf von Ferienwohnungen auf Sansibar mit Steuererleichterungen und Residenten-Visa ankurbeln will.
Zwei Leipziger Brüder, Sebastian und Tobias Dietzold, nach der Wende als Missionarssöhne in Afrika aufgewachsen, bauen bereits eine grüne City namens Fumba Town nahe der Insel-Hauptstadt.
Statt Asphalt gibt es Kopfsteinpflaster, damit Regenwasser in der Erde versickern kann. 94 Prozent des Abfalls sollen recycelt werden.
Ein weiteres Projekt der Dietzolds: An der Ostküste errichten sie moderne Ferienapartments in Öko-Holzbauweise für globale Nomaden rund um eine künstliche Lagune – mit Co-Working-Bereichen auf schattigen Dachterrassen.
Wie Sansibar mit Corona umging
Die ersten Corona-Wellen hat die Insel im Indischen Ozean geradezu todesmutig geritten.
Im ersten Pandemie-Winter von Januar bis März 2021 vergnügten sich dort laut Einreisestatistik 142'263 Touristen, mehr als je zuvor. Die meisten kamen ungetestet mit Sonderflügen aus Russland und anderen osteuropäischen Staaten.
Dann starben der Vizepräsident Sansibars und der Präsident Tansanias, John Magufuli. Der eine recht sicher und der andere mutmasslich an Covid-19.
Die derzeitige Regierungschefin Samia Suluhu Hassan vollzog schliesslich eine Kehrtwende in Sachen Pandemie. Von der Serengeti bis Sansibar änderte sie die Einreiseregeln. Wer derzeit ins Land will, muss einen negativen PCR-Test vorlegen.
Vieles hat sich also normalisiert auf Sansibar, die Insel steht nicht mehr als Aussenseiter da. Die Umgangsregeln aber sind locker geblieben. Auch im zweiten Corona-Winter müssen kaum irgendwo Masken getragen werden. Viele Hoteliers vermelden: ausgebucht.
Bei tropischen Temperaturen um die 30 Grad findet ohnehin fast alles draussen statt, von Picknickausflügen bis zum Nachtleben, vom Bummel durch die Unesco-geschützte Altstadt bis zur Tour über Gewürzfarmen.
Angesagte Clubs in luftiger Höhe
Sansibar ist anders als die anderen, luxuriösen Inseln im Indischen Ozean, also die Malediven, Seychellen und Mauritius. Man geniesst hier eher einfache Freuden.
Man kann in Souvenirläden selbstgemachte Seifen aus Seegras kaufen, in Strandclubs Livemusik hören und auf historischen Dachterrassen arabisch-indischer Handelspaläste bei einem kühlen Wein den Sonnenuntergang geniessen.
Die vielleicht schönsten dieser Terrassen gehören zur Emerson-Gruppe. Sie betreibt in der Altstadt zwei Boutique-Hotels und Restaurants mit roten Samtpolstern, traditionellen Menüs und Taarab-Musik.
Keiner der 70 Mitarbeiter wurde während der Pandemie entlassen. 120 Jahre alte Holztreppen führen in die luftigen Gefilde über der Stadt.
Eine radikale Brücke in die Moderne schlägt dagegen das Hotel «Upendo House». Zum Sundowner treffen sich dort am gläsernen Pool im fünften Stock junge Feriengäste aus aller Welt.
Ein Nobelpreis für Sansibar
200 Jahre gehörte Sansibar zum Sultanat von Oman, bevor es 1964 in einem gewaltsamen Coup mit Tanganjika zu Tansania vereinigt wurde. Kurz zuvor war das Land unabhängig von Grossbritannien geworden.
Der diesjährige Nobelpreisträger für Literatur, Abdulrazak Gurnah, ist ein Sohn der Insel. Er hat das Augenmerk verstärkt auf die koloniale und postkoloniale Vergangenheit seiner Heimat gelenkt.
Die aufwühlenden Bücher des Autors, der 1968 nach England floh, findet man allerdings noch nicht in den Schaufensterläden der Altstadt.
Der Tourismus trotzt der Pandemie – und expandiert
Sansibar dürfte eines der wenigen Ferienziele weltweit sein, dem die Pandemie Dutzende neuer Hotels und ungewöhnliche Events beschert hat.
Das rumänische Sunwave-Elektromusik-Festival wurde im Juni 2021 komplett von Bukarest nach Sansibar verlegt.
Das wohl beste Hotel der Insel, das von einem Prager Unternehmer gebaute Fünfsternehaus «Zuri Hotel & Spa», hielt sich während der Pandemie streckenweise mit Feriengästen über Wasser, die gleich im Privatjet einflogen.
Die Tui baut ihr Angebot auf Sansibar mit dem «TUI Blue Bahari» und einem Riu-Hotel aus, das gerade erweitert wird.
Wohin die Gewürzinsel in Zukunft will, weiss sie selbst noch nicht so genau. Auf Öko-Luxus setzt Sansibars Wirtschaftsminister – und bietet aktuell neun der insgesamt 50 Inseln des Archipels zur Verpachtung an.
Massoud Salim kümmert dies alles wenig: Der Networker hat gerade ein Restaurant, das Archipelago Waterfront, am Stadtstrand von Stone Town eröffnet.
Vor der Kulisse von Palästen und Moscheen treffen sich bei ihm Einheimische und Feriengäste zum traditionellen Gewürzkaffee.
Mit Pionieren wie diesen dürfte Sansibars Zukunft als lässiges Individualziel mit Unterkünften jeder Preisklasse trotz der anhaltenden Pandemie noch eine Weile Bestand haben.