Tasmanien: Australiens schillerndstes Juwel
Unter den Naturwundern Tasmaniens ist die Freycinet-Halbinsel das vielleicht bezauberndste: Südseehafte Strände und ein Aborigines-Küstenpfad gibt's in einem.
Das Wichtigste in Kürze
- Tasmanien war lange selbst von Australiern verpönt: Heute ist es ein Ziel, das fasziniert.
- Die Wineglass Bay zählt zu den zehn schönsten Stränden der Welt.
- Ob Wandern, Baden, Campen oder «Barfussluxus»: Tasmanien ist reich an Abenteuerreizen.
Geschickt hüpft Nick Delany über die Granitfelsen. Unter ihm rollen Wellen heran, spritzt Gischt empor. Über ihm kreisen drei Seeadler. Ein wunderbares Schauspiel.
Man könnte meinen, Delany habe in elf Jahren als Guide für Wanderer alles gesehen. Aber nun johlt selbst er begeistert auf. Denn über dem Urwald segeln zwei Keilschwanzadler heran.
«Die grössten Raubvögel Australiens», ruft Delany ekstatisch über das Grollen der Brandung.
Mit mächtigem Flügelschlag attackieren die Tiere ihre kleineren Vettern. Ein kurzes Krallenhakeln, ein Seeadler trudelt, dann flattern er und seine Kollegen eilig davon.
Der Flugkampf ist das würdige Finale dieser Tour, die zu den Great Walks of Australia zählt. Vier Tage lang führt der Freycinet Experience Walk um die gleichnamige Halbinsel im Osten Tasmaniens.
Man spaziert über weisse Strände, erklimmt rosafarbene Granithügel und folgt einem alten Pfad der Aborigines entlang der Steilküste.
Tasmaniens grosse Naturschönheit
Unter all den Juwelen Tasmaniens funkelt Freycinet am bezauberndsten. Schon 1916 wurde die Halbinsel als Nationalpark geschützt. Berühmt machte sie die Wineglass Bay, die mehrmals zu einem der zehn schönsten Strände der Welt gewählt wurde.
Warum das so ist, sieht man am besten von der Aussichtsplattform hoch über der Bucht.
Als Nick Delany als Kind zum ersten Mal zu ihr hinauf stieg, war der Pfad felsig. Nun schlängelt sich ein bequemer Kiesweg zwischen Granitfelsen, Eukalypten, Kasuarinen und Teebäumen hinauf.
Trotzdem trägt Delany Gamaschen zur kurzen Hose. «Es gibt drei Arten von Schlangen auf Tasmanien», erklärt er. «Und alle sind giftig.» Wo sie sich bevorzugt aufhalten? «Überall. Aber sie haben ein gutes Temperament. Sie tun alles, um dir aus dem Weg zu gehen.»
An diesem Tag sind zum Glück keine Schlangen zu sehen. Auch erfreulich wenige Mitwanderer, sodass das tausendfach fotografierte Panorama auf der Plattform unverstellt ist:
Eine weisse Sandsichel umfasst die türkise Bucht. Auf den Hügeln ringsum ragen rund gewaschene, gespaltene Felsen aus dem dichten Busch.
Bis Mitte der 1840er-Jahre stand an diesem Ort eine Walfangstation. In wenigen Jahrzehnten jagten ihre Schiffe die Südkaper, eine Art der Glattwale, fast bis zur Ausrottung. Das Blut der Wale färbte die Bucht rot – daher der Name Wineglass Bay.
Diese Insel ist etwas anders
Tasmanien ist ein raues Pflaster. Über seine Bewohner rümpften die Australier auf dem Festland lange die Nase: Hinterwäldler.
Aber spätestens seit der Profi-Glücksspieler David Walsh für viele Millionen das sensationelle Museum of Old and New Art voll provokativer Kunst baute, ist die Insel en vogue.
Reisende aus aller Welt kommen, um die spektakuläre Natur zu sehen, Austern zu essen und Wein zu trinken. Überall auf der Insel wurden Wanderwege verbreitert und Hütten gebaut.
Die «Friendly Beaches Lodge» aber, das Basislager dieser Tour, versteckt sich schon seit knapp 30 Jahren im Wald hinter einem kilometerlangen Strand.
Von aussen sehen die hölzernen Bungalows schlicht aus. Es gibt kein Betonfundament und keine Isolierung, keinen Handyempfang und kein WLAN. Den Strom liefern Solarpaneele, Küche und Kühlschrank laufen mit Gas. Geheizt wird mit Holz.
Was Reisende an diesen Ort verschlägt, wird als Barfussluxus beworben.
Bei Austern und Sekt erzählen sich die Gäste abends am Kaminfeuer, was sie an diesem Tag erlebt haben. Dazu wieselt ein Possum über die Holzterrasse. Nachts hört man die Wellen unten am Strand brechen.
Erkundungen auf dem Kammweg
In der benachbarten Bluestone Bay beginnt der geheime Kammweg, den der Veranstalter der Freycinet Experience selbst instand hält. «Wir lassen die Gäste hier ausschwärmen, damit sie keinen erkennbaren Pfad ins Gras trampeln», erklärt Delany.
Mässig steil geht es einen Waldweg hinauf, der mit Kasuarinen-Nadeln gepolstert ist. Oben angekommen, wandert Delany durch lichten Wald einen Kamm entlang.
«Wahrscheinlich ist das eine uralte Route der Oyster Bay Nation», sagt er. Die Aborigines zogen auf diesem Pfad im Herbst an die Küste, wo das Klima milder ist.
Entspannt führt der Pfad 200 Meter über dem Pazifik die Küste entlang. Immer wieder öffnet sich der Wald für grandiose Ausblicke auf die glitzernde See und die Klippen. Weiss blühende Korallenrauten duften würzig, Haubelieste flattern auf.
Stundenlang schlendert man auf dem zauberhaften Küstenweg in luftiger Höhe dahin, bis eine Erdstrasse zurück ins Flachland führt.
Fad wird es deshalb nicht. Man spaziert entlang einer Lagune, auf der eine Armada schwarzer Schwäne dümpelt. Und tritt schliesslich hinaus auf einen Strand, der im wahrsten Sinne des Wortes blendend weiss ist.
In den 1990er-Jahren wollte eine Firma den fast reinen Quarz der Friendly Beaches abbaggern. Die Tasmanier protestierten wütend, worauf die Regierung den Nationalpark um den sieben Kilometer langen Strand erweiterte.
Die weisse Prachtpromenade blieb intakt.