Trient: Das gute Leben in der bemalten Stadt
In Italien liegt Trient : Es hat eine hübsche Altstadt, eine beneidenswerte Lage - und ein hypermodernes Museum von Stararchitekt Renzo Piano.
Das Wichtigste in Kürze
- Trient in Italien bietet dem neugierigen Besuchenden buchstäblich Bild-hübsche Strassen.
- Denn: Während des Konzils in Trient setzte man mit Wandfresken auf Stadtverschönerung.
- Die nahen Dolomiten, Universitäten und Cafés sind weitere Attraktionen des Orts.
- Neu dabei: das Museum für Wissenschaft des Starachitekten Piano.
Von Trient kennen Reisende in der Regel genau zwei Orte: die Autobahnausfahrten Trento Nord und Trento Süd.
Die meisten fahren achtlos an der Hauptstadt der Provinz Trentino vorbei: Italiener aus Mailand oder Rom auf dem Weg nach Südtirol oder München, Schweizer auf dem Weg in die Toskana oder an die Adria.
Ringsum gebe es eben berühmtere Attraktionen, sagt der Stadtführer Martin Rossi achselzuckend: Verona, die Dolomiten, den Gardasee. Der Busfahrer einer Reisegruppe behauptete: «Trient ist nichts Besonderes. Nur Industrie.»
Was für ein Unsinn das ist, erkennt man schon bei einem ersten Spaziergang durch die Altstadt. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist sie eine grosse Fussgängerzone. Entsprechend entspannt schlendert man dahin.
Zumal es unmöglich ist, falsch abzubiegen: Hinter jeder Ecke wartet die nächste bildhübsche Strasse.
Das grosse Aufhübschen für die Kardinäle
«Bemalte Stadt» nannten berühmte Gäste wie Goethe einst Trient, bunte Renaissance-Fresken schmückten viele Fassaden. Die meisten Wandgemälde stammen aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, der Zeit vor dem Tridentinischen Konzil.
Das Gipfeltreffen des Klerus machte Trient von 1545 bis 1563 zum Zentrum der christlichen Welt. Dafür putzten die Adeligen und der Fürstbischof Bernhard von Cles ihre Stadt heraus.
Bis heute sind ein Dutzend bemalte Fassaden erhalten, seit den 1980er-Jahren wurden sie nach und nach restauriert.
Beste Lage zwischen Bergen und Seen
Der Domplatz ist der natürliche Mittelpunkt der Stadt, um den Neptunbrunnen flanieren Einheimische ebenso gern wie Touristen. Eng wird es aber selten. Selbst vor der Pandemie wurde die Altstadt nie von Reisegruppen überrannt wie Florenz oder Venedig.
Zwischen den Steintürmen und Palazzi lugen immer wieder grüne Berge hervor. Tridentum nannten die Römer die Stadt, weil sie zwischen drei Bergspitzen liegt.
Für einen Ausflug fahren die Trienter im Sommer wie im Winter am liebsten auf den 2180 Meter hohen Monte Bondone, ihren Hausberg. «Viele haben ein Ferienhaus dort oben für die Sommerfrische», sagt Rossi. Ein kleines Skigebiet gibt es auch.
Kein Wunder, dass Trient in Ranglisten der Lebensqualität in Italien regelmässig einen Spitzenplatz belegt. Die Stadt ist wohlhabend, in der Umgebung liegen viele Seen. Dazu sind die Brentadolomiten vor der Haustür, ein bekanntes Klettergebiet.
Deutsch im Kopf und Dolce Vita im Herzen
«Trento ist weder Fleisch noch Fisch, nicht richtig Italien und nicht richtig Tirol», sagt Rossi. «Wir sind deutsch im Kopf, aber italienisch im Herz.»
Den 16'000 Studenten in der Stadt wäre ein bisschen mehr mediterranes Laisser-faire freilich ganz recht. Besonders jene aus Süditalien jammern über die strebsamen Trentiner, die abends ihre Ruhe wollen.
«In den 1990er-Jahren war die Stadt ab 19 Uhr tot», sagt Rossi. Heute sind zumindest die Strassencafés der Via Verdi, wo sich die Fakultäten der Universität aneinander reihen, abends gefüllt mit Studenten und Angestellten, die ihren Aperitivo trinken.
Und im neuen Parco delle Albere können junge Trienter nun sporteln, picknicken und feiern, ohne jemanden zu stören.
Die etwas sterile Grasfläche vor der neuen Unibibliothek liegt inmitten des gleichnamigen Viertels, das der Star-Architekt Renzo Piano auf einer Industriebrache zwischen Bahngleisen, dem Fluss Etsch und der Brennerautobahn entworfen hat.
Ein Lichthof voll schwebender Tiere
Durch neue Unterführungen geht man in ein hochmodernes Viertel, das ein wenig an die Hamburger Hafencity erinnert und zugleich etwas blutleer wirkt.
Das Herz des Quartier Le Albere aber schlägt kräftig: das neue Museum für Wissenschaft, kurz Muse, zog von seiner Eröffnung im Juli 2013 bis zum Beginn der Pandemie jedes Jahr eine halbe Million Besucher an.
Der von Stararchitekt Piano geschaffene Bau ist spektakulär. Die steil geneigten Wände mit den aufgestellten Kämmen aus Solarpaneelen sollen die Skyline der umgebenden Berge nachahmen, erklärt Antonia Caola, die Sprecherin des Museums.
Das Zentrum des Museums ist der grosszügige Lichthof, der die sechs Stockwerke zu einem riesigen Raum verschmilzt. Darin schweben, an feinen Stahlschnüren hängend, Adler und Elch, Steinbock und Pfau.
Dutzende ausgestopfte Tiere bevölkern das luftige Atrium, der Blickfang aber ist das Skelett eines ausgewachsenen Wals, den viele Kinder für einen Dinosaurier hielten, sagt Caola.
Die echten Dinosaurier stehen in der untersten Etage der Dauerausstellung: Dilophosaurus und Plateosaurus, Desmatosuchus und Talarurus. Einen T-Rex suchen die Kinder vergeblich. Die grösste Saurierschau der Alpen zeigt nur Dinos, die in der Gegend lebten.
Alternative für Regentage am Gardasee
Jedes Stockwerk im Muse ist an eine Etage der Bergwelt angelehnt.
Ganz oben, in der Gipfelregion, können Besucher etwa das Eis eines künstlichen Gletschers anfassen, darunter spazieren sie durch das Labyrinth der alpinen Artenvielfalt, sehen im Aquarium ein tropisches Korallenriff und im Video dessen Umwandlung in die nahen Brentadolomiten. Interaktives Erleben ist das Mantra vom Muse.
In Italien machte das hypermoderne Museum Schlagzeilen. Viele ausländische Touristen haben allerdings noch nie davon gehört. «Leider kommen nicht viele Deutsche», sagt Museumssprecherin Caola.
Immerhin wird das Muse heute am Gardasee als Alternative für Regentage beworben. Und wer weiss, vielleicht sehen manche Reisende bei einem Ausflug, dass sie nächstes Mal ein paar Ausfahrten früher von der Autobahn abfahren sollten.