Wildes Afrika: Im Gorongosa-Nationalpark in Mosambik
Die Tiere im ältesten Nationalpark Mosambiks wurden im Bürgerkrieg fast ausgerottet. Heute sind sie wieder da – wie die Hoffnung auf eine konfliktfreie Zukunft.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Gorongosa-Nationalpark in Mosambik ist 3800 Quadratkilometer Naturerlebnis pur.
- Er ist einer der letzten wirklich wilden Orte Afrikas und birgt faszinierende Spezies.
- Die Philosophie in Kurzform: Flora, Fauna und Menschen gehören und zum selben Ökosystem.
Ganz gemächlich schlendert der Pavian auf die offene Tür von Marc Stalmans` Büro zu. Hinter der Türschwelle stoppt er und beginnt, sich neugierig umzusehen.
Schliesslich gähnt der Affe kräftig, wobei er ungeniert seine vampirähnlichen Eckzähne zeigt.
Grunzend verlässt er den kleinen Raum und hangelt sich an der Regenrinne hinauf. Über die Dächer verschwindet das massige Affenmännchen schliesslich im Grün des Dschungels.
Stalmans beeindruckt dieser Besuch nicht. «Begegnungen wie die sind hier alltäglich», sagt der wissenschaftliche Leiter im Mosambiker Gorongosa-Nationalpark.
Ob Paviane, Warzenschweine, Antilopen, Nilpferde, Elefanten, Geckos, Gambiaratten oder Büffel – das möglichst konfliktfreie Neben- und Miteinander von Mensch und Natur ist der Leitgedanke im grössten Tierschutzgebiet des südostafrikanischen Landes.
In der Schweiz ist das Naturparadies noch kaum bekannt. Dabei liegt es nur eine gute Flugstunde von Johannesburg in Südafrika entfernt.
Mehrtägige Abstecher nach Gorongosa lassen sich zum Beispiel gut mit einem Besuch im weltbekannten Krüger-Nationalpark verbinden, aber auch mit einer Reise zum Indischen Ozean.
Das Gefühl einer Ur-Landschaft
Wer Naturerlebnisse abseits vom Massentourismus sucht, ist hier jedenfalls richtig. Wenn morgens früh die fünf Jeeps zur Safari in dem rund 3800 Quadratkilometer grossen Gelände starten, begegnen sie sich in den nächsten Stunden wahrscheinlich nicht wieder.
Einer der letzten wirklich wilden Orte Afrikas – dieses Image betonen die Verantwortlichen in Gorongosa oft und gern.
Tatsächlich stellt sich in den dichten Wäldern aus Mopanebäumen, Akazien oder Palmen schnell das Gefühl ein, in eine Art Ur-Landschaft einzutauchen.
Der Lago Urema und unzählige Flüsse gehören ebenso zu dem Nationalpark wie Schwemmgebiete, Buschland und weite Savannen.
Impalas kreuzen mit hohem Zickzack-Sprüngen unsere Fahrbahn, bei einer Warzenschweinfamilie vibrieren die Schwänze senkrecht in der Luft wie Antennen.
Sattelstörche staksen durchs hohe Gras, im Fluss prusten Nilpferde beim Auftauchen kleine Wasserfontänen in die Höhe. Am gegenüberliegenden Ufer trinken Elefanten.
1960, noch in der Zeit des portugiesischen Kolonialregimes, wurde das Gebiet zu Mosambiks erstem Nationalpark erklärt.
Fast zwei Jahrzehnte lang soll der Gorongosa-Nationalpark zu den schönsten im südlichen Afrika gezählt und Tausende Touristen angelockt haben.
Mehr als 10'000 Büffel und 2000 Elefanten, dazu mehrere Hundert Löwen sowie Gnus und Zebras, Nilpferde und Krokodile sollen den Park damals bevölkert haben.
«Er wurde oft Mosambiks Krüger-Nationalpark genannt», erzählt Ranger-Chef Pedro Muagura.
Der lange Wiederaufbau nach dem Bürgerkrieg
Auf die Glanzzeiten folgten sehr bittere Jahre. Nach der Unabhängigkeit des Landes Mitte der 1970er-Jahre begann zu Ende jenes Jahrzehnts ein Bürgerkrieg, der nicht nur Hunderttausende Menschen das Leben kostete.
Bis zum Frieden 1992 wurden die Tiere im Nationalpark von hungrigen Soldaten und Wilderern gejagt und nahezu ausgerottet.
Als der US-amerikanische Millionär Greg Carr im März 2004 auf Einladung des Uno-Botschafters von Mosambik bei seinem ersten Besuch sein Herz an das urwüchsige Gelände verlor, traf er fast nur noch auf Warzenschweine.
Er beschloss, mit seinem Geld dabei zu helfen, den Nationalpark wiederaufzubauen und Arten wieder anzusiedeln.
«Dabei gehören Flora, Fauna und die Menschen zusammen zum selben Ökosystem», beschreibt Ranger-Chef Muagura die Carr-Philosophie in Kurzform.
Naturschutz müsse auch die Rechte der lokalen Bevölkerung respektieren und die Menschen zur Selbsthilfe anleiten – auch um Armut und damit etwa Wilderei den Nährboden zu entziehen.
Gorongosa sei weit mehr als ein Nationalpark, sagt Vasco Galante vom Park-Management. «Er ist der grösste Arbeitgeber in Zentralmosambik.»
Mit den Jobs bringe er unter anderem politische Stabilität und sei zugleich ein wissenschaftlicher Anker in der Region.
Tracking-Bänder für ein sicheres Miteinander
Zu einem dauerhaft guten Miteinander im und um den Park gehört umgekehrt, dass auch die hier lebenden Menschen geschützt werden.
Wildtiere wie Elefanten und Löwen bekommen deshalb Tracking-Bänder. So wissen die Ranger, wo die Tiere unterwegs sind.
Kommt etwa ein Elefant einem Feld zu nahe, werden die Bauern informiert. Dann können sie die Tiere rechtzeitig zurück in die Parkgrenzen scheuchen und ihre Ernte retten.
«Wir hoffen natürlich, dass sich die Tiere weiter vermehren», sagt Marc Stalmans, der wissenschaftliche Leiter des Parks.
Dann könne es nötig werden, im Süden des Geländes einen Zaun zu ziehen. Momentan klappt das Miteinander um den Nationalpark noch ohne Grenzzaun.