Darum verlief die Biden-Vereidigung trotz Drohungen ruhig
Das Wichtigste in Kürze
- Die Amtseinführung von Joe Biden verlief – anders als befürchtet – friedlich.
- Viele Trump-Anhänger waren entmutigt nach seiner Verurteilung des Sturms auf das Kapitol.
- Corona, das riesige Aufgebot an Sicherheitskräften und Social Media haben auch geholfen.
Seit der Kapitol-Stürmung am 6. Januar fürchteten viele Amerikaner gewalttätige Ausschreitungen anlässlich der Vereidigung des neuen Präsidenten Joe Biden. Experten warnten gar davor, dass es spätestens zur Amtsübergabe erneut zur Eskalation komme.
Doch die Machtübergabe in Washington verlief gänzlich friedlich. Auch im übrigen Land kam es nur vereinzelt zu Scharmützeln mit der Polizei bei kleineren Demonstrationen.
Dass der «Inauguration Day» trotz der aufgeladenen Stimmung in den Staaten so friedlich verlief, ist wohl verschiedenen Faktoren zu verdanken.
Riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften
Die Sicherheitsbehörden wollten kein Risiko eingehen, weshalb insgesamt 25'000 Nationalgardisten eingesetzt wurden. Neben der Nationalgarde standen Polizisten, das FBI und der Geheimdienst im Einsatz.
Auch eine riesige Schutzzone wurde um das Kapitol herum eingerichtet. Rund um die Zone waren Soldaten neben Panzerwagen stationiert, Strassen und Brücken wurden mit Stacheldraht und Betonblöcken gesperrt.
Nicht nur in Washington, sondern in allen Bundesstaaten wurden zusätzliche Sicherheitsmassnahmen zum Schutz der lokalen Parlamentsgebäude getroffen.
Mit dem riesigen Aufgebot setzten die Behörden auch auf eine abschreckende Wirkung. Die zahlreichen Verhaftungen und laufenden Ermittlungen des FBI nach den Vorfällen des 6. Januars dürften diese zusätzlich verstärkt haben.
Aufrufe zum Frieden
Sowohl der neue wie auch der nun abgetretene US-Präsident haben im Vorfeld zu Versöhnung und Gewaltverzicht aufgerufen.
Donald Trump hatte in einer Videobotschaft ebenfalls die Gewalt beim Sturm auf das Kapitol verurteilt. Dadurch fühlten sich viele der Beteiligten im Stich gelassen. Dazu schrieb einer der Anführer der rechtsextremen «Proud Boys» in einer Telegramm-Gruppe etwa: «Trump hat die Kapitol-Demonstranten ein letztes Mal als Sündenböcke hingestellt.»
Auf verschiedenen Plattformen rief die Gruppierung danach ihre Anhänger dazu auf, bei der Vereidigung zu Hause zu bleiben.
Im Namen der «Proud Boys» wurde zum Sturm auf das Kapitol im Internet mobilisiert. Viele der Beteiligten trugen Symbole, die der Gruppierung direkt oder sonst der rechtsradikalen Szene angehören. Die Organisation bestreitet, die Aktion geplant zu haben.
Mobilisierung auf Social Media erschwert
Die Mobilisierung zum Sturm auf das Kapitol habe fast ausschliesslich über Social Media stattgefunden, ist sich Sheera Frenkel sicher. Die Journalistin der «New York Times» beobachtet seit Monaten die Online-Aktivitäten von Extremisten in den USA.
Die Sperre von zehntausenden von Accounts – darunter derjenige von Donald Trump – auf Twitter, Facebook und Co. habe diese Bewegungen empfindlich getroffen, erzählt sie im Podcast «The Daily». Unzählige Gruppen wurden geschlossen, Post mit Hashtags wie «Stop the Steal» werden gelöscht.
Die Gruppen müssten sich neu organisieren und auf andere Plattformen ausweichen. Das brauche viel Zeit und Aufwand. Kurzfristig werde dies auf jeden Fall eine grosse Mobilisierung extrem erschweren, ist sie überzeugt.
Mittel- und langfristig äussert sie jedoch Besorgnis. Die Mitglieder könnten sich nun auf stark verborgenen und schlecht zu überwachenden Plattformen noch stärker radikalisieren.
Rolle der Corona-Pandemie
Die USA sind weiterhin stark von der Corona-Pandemie betroffen. Gestern wurden fast 190'000 Neuinfektionen und über 4000 Todesfälle registriert. Die Vereidigung von Joe Biden wurde deshalb auch von den Schutzmassnahmen geprägt.
Im Gegensatz zu früheren Amtseinführungen wurde in Washington nicht vor einer grossen Menschenmenge gefeiert. So waren bei der Vereidigung von Barack Obama im Jahr 2009 etwa 1,8 Millionen Menschen anwesend. Die Zahl der Anwesenden bei Donald Trump 2017 ist umstritten, ging aber mindestens in die Hunderttausende. In dieser Hinsicht hat die Pandemie die Arbeit der Sicherheitsbehörden enorm erleichter.