Neues Gesetz soll Polizei in Brasilien Lizenz zum Töten geben
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem neuen Gesetzespaket will Präsident Jair Bolsonaro ein Wahlversprechen einlösen.
- In Brasilien werden jedes Jahr mehr als 60’000 Personen ermordet.
- Alleine in Rio starben 2018 mehr als 1500 Personen durch die Polizei.
Am vergangenen Dienstag hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ein neues Gesetzespaket gegen Kriminalität unterzeichnet. Damit will er eines seiner Wahlversprechen einlösen und das Problem der Kriminalität und fehlenden Sicherheit lösen. Kritiker befürchten, dass dadurch noch mehr Menschen als bisher von der Polizei getötet werden.
In Brasilien werden jedes Jahr mehr als 60’000 Personen ermordet. Die Mehrheit der Getöteten ist arm und schwarz. Besonders schlimm ist die Lage in Rio de Janeiro.
Die Gewalt geht aber nicht nur von Kriminellen aus. Bei ihren Einsätzen in den Favelas (Armenviertel) verhaftet die Polizei nicht nur, oft tötet sie auch.
In Rio mehr als 1500 durch Polizei getötet
Laut dem Institut für öffentliche Sicherheit starben 2018 allein in Rio de Janeiro mehr als 1500 Personen durch die Kugeln der Polizei. Unter den Getöteten befinden sich nicht nur Verdächtige, sondern auch immer wieder unbeteiligte Zivilisten.
Nau hat mit Raquel Willadino, einer der Leiterinnen der NGO «Observatorio de Favelas» gesprochen. Die Organisation beobachtet die Situation der Menschenrechte in den Favelas und führt Bildungsprojekte durch. «Die aktuelle Lage in Bezug auf die Menschenrechte ist sehr schwierig», sagt Willadino.
Sie meint, dass sich die Situation seit 2018 nochmals deutlich verschlimmert hat. «Einerseits wurde im Februar 2018 eine Militärintervention ausgerufen, andererseits hat der Wahlkampf zu mehr Rassismus, Sexismus und Gewalt geführt.»
14 Gesetzesänderungen von Jair Bolsonaro
Das Gesetzespaket, welches die Regierung Bolsonaro dem Kongress vorschlägt, umfasst 14 Gesetzesänderungen. Am meisten Kritik erntet die Änderung eines Artikels im Strafgesetz.
Im Falle einer Annahme des Pakets könnten zuständige Richter das Strafmass für Polizisten, die Verdächtige getötet haben, halbieren. Oder sie können die Untersuchungen gar einstellen lassen. Dann etwa, wenn sie das Gefühl haben, dass der betreffende Polizist erklärbar «grosse Angst hatte, sehr überrascht war oder gewalttätige Gefühle hatte.»
Kritiker befürchten, dass dies einer Lizenz zum Töten gleichkommt und die Polizei in Zukunft noch erbarmungsloser vorgeht. Auch Raquel Willadino ist besorgt über den Inhalt der Gesetzesvorlage. «Die im Paket vorgeschlagenen Änderungen werden mit Sicherheit nicht zu weniger Gewalt führen», sagt sie.