Tiktok treibt Teenies in psychische «Abwärtsspirale»
Eine Menschenrechtsorganisation warnt vor den Folgen des personalisierten Feeds auf Tiktok. Wer nicht aufpasse, komme in eine gefährliche Abwärtsspirale.
Das Wichtigste in Kürze
- Amnesty warnt: Tiktok-Feed kann zu psychischen Problemen führen.
- Tiktok zeigt Videos, die Suizid normalisieren oder romantisieren.
- Amnesty fordert Änderungen: Tiktok gefährde die Gesundheit von Jugendlichen.
Die Social-Media-Plattform Tiktok steht unter Beschuss. Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International kann der personalisierte Feed der App bei jungen Nutzern einschneidende Folgen haben. Konkret sollen psychische Probleme wie Depressionen, Angstzustände und Selbstverletzung verstärkt werden.
Aber von Anfang an: Amnesty legte im Rahmen einer Recherche Fake-Konten an. Konten, die vermeintlich 13-jährigen Tiktok-Nutzerinnen und -Nutzern aus Kenia oder den USA gehörten.
Das von Amnesty-Experten angegebene Interesse: psychische Gesundheit.
Schnell zeigte sich: Nach drei bis 20 Minuten bestand der Für-dich-Feed zu mehr als der Hälfte aus Videos, die psychische Probleme thematisierten.
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Viel schockierender: Innerhalb von nur einer Stunde wurden zahlreiche empfohlene Videos angezeigt, die Suizid normalisierten oder romantisierten.
«Es ist eine Abwärtsspirale»
Dass der Tiktok-Algorithmus problematisch ist, zeigen auch zahlreiche Interviews mit Betroffenen. So sagt etwa Luis* aus den Philippinen: «Es ist eine Abwärtsspirale, die mit einem einzigen Video beginnt.»
Schlimm: Der 21-Jährige leidet unter einer bipolaren Störung. Das ist eine psychische Erkrankung, bei der die Stimmung zwischen zwei Extremen schwankt.
Auch betroffen ist der 18-jährige Francis*, ebenfalls aus den Philippinen: «Manchmal schaue ich ein trauriges Video an, mit dem ich mich identifizieren kann. Plötzlich ist mein gesamter Feed traurig (...) Das wirkt sich auf meine Gefühlswelt aus.»
Menschenrechtler warnen vor ernsthaften Risiken
Ein dritter Interview-Teilnehmer will vollständig anonym bleiben. Er klagt, dass seine negative Gedankenspirale angekurbelt werde. «Gerade dann, wenn jemand in einem Video krank ist oder sich selbst diagnostiziert.»
Er ergänzt: «Ich habe das Gefühl, dieselben Symptome zu haben, und meine Ängste werden schlimmer». Dabei suche er die Videos nicht einmal bewusst. «Sie erscheinen einfach in meinem Feed.»
Diese Aussagen wurden von verschiedenen Jugendpsychologen bestätigt, die von Amnesty International im Rahmen der Untersuchung konsultiert wurden.
Das Fazit von Amnesty International ist eindeutig: «Unsere Recherchen zeigen, dass Tiktok Jugendliche ernsthaften Gesundheitsrisiken aussetzt, wenn es sein derzeitiges Geschäftsmodell beibehält».
*Namen geändert
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Brauchen Sie Hilfe?
Sind Sie selbst depressiv oder haben Sie Suizidgedanken? Dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).
Unter der kostenlosen Hotline 143 erhalten Sie anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.
Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch