AfD als «rechtsextremistischer Verdachtsfall» eingestuft
Der Verfassungsschutz schätzt die AfD jetzt anders ein als noch vor einem Jahr. Er will die Partei in Zukunft auch heimlich ausspähen. Die AfD-Spitze findet das skandalös.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.
Damit kann die Partei ab sofort auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht werden.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur setzte der Präsident der Behörde, Thomas Haldenwang, die Landesämter für Verfassungsschutz über die neue Einschätzung in einer internen Videokonferenz in Kenntnis. Zuerst hatte der «Spiegel» über die Entscheidung berichtet.
Die AfD-Spitze sprach von einem politischen Manöver mit dem Ziel, der AfD im Superwahljahr 2021 Schaden zuzufügen. «Das Vorgehen des Verfassungsschutzes ist skandalös», sagte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. «Obwohl die Behörde die Einstufung als Verdachtsfall nicht bekanntgeben darf, lanciert sie entsprechende Informationen an die Medien, um auf diese Weise den demokratischen Parteienwettstreit zulasten der AfD zu beeinflussen.» Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, sagte: «Ich bin persönlich der Meinung: keine Anpassung an den Verfassungsschutz.»
Wegen eines noch nicht abgeschlossenen Gerichtsverfahrens nimmt das Bundesamt derzeit öffentlich nicht Stellung zur Frage der Einschätzung der AfD. «Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äussert sich das Bundesamt für Verfassungsschutz in dieser Angelegenheit nicht öffentlich», teilte die Kölner Behörde auf Anfrage mit.
Das Bundesamt hatte dem Kölner Verwaltungsgericht diese Woche jedoch umfänglich Einblick in seine Einschätzung zur AfD gewährt. Die AfD wehrt sich in einem Eilverfahren mit juristischen Mitteln gegen eine mögliche Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall. Diese Einstufung ermöglicht grundsätzlich auch das Anwerben von Informanten, die aus der Partei an den Inlandsgeheimdienst berichten.
Der Verfassungsschutz hatte dem Gericht zugesagt, bis zum Ende des Eilverfahrens Kandidaten und Abgeordnete der Partei nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu überwachen. Ausserdem werde der Verfassungsschutz bis zum Abschluss des Verfahrens darauf verzichten, öffentlich bekanntzugeben, ob er die AfD als Verdachtsfall oder gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstuft.
Das Gericht stellte daraufhin fest, angesichts der vom Bundesamt für Verfassungsschutz abgegebenen Erklärungen könnte sich eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln während der Dauer des Eilverfahrens lediglich auf die einfachen Mitglieder der Partei auswirken.
«Dass der Verfassungsschutz die AfD nun offenbar bundesweit beobachtet, wundert nicht», sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. «Die Partei hat sich nie eindeutig von Rechtsextremen wie Herrn Höcke distanziert», kritisierte Middelberg mit Blick auf den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke. Die Partei habe es jetzt in der Hand, «sich mit einem Reinigungsprozess der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entziehen.» Es sei aber fraglich, ob ihr das gelingen werde.
«Dieser Schritt war überfällig - der Schulterschluss zwischen AfD und extremer Rechter ist in den letzten Jahren immer deutlicher sichtbar geworden», sagte DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel. «Unsere Demokratie ist wehrhaft gegenüber denjenigen, die sie abschaffen und das parlamentarische System abreissen wollen», kommentierte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz.
In der AfD tobt seit Jahren ein Machtkampf zwischen der rechtsnationalen Strömung und denjenigen, die sich selbst als gemässigt bezeichnen. Im Bundesvorstand sind die sogenannten Gemässigten um Parteichef Jörg Meuthen aktuell in der Mehrheit.
Die AfD war im vergangenen Jahr von 34.750 Mitgliedern auf rund 32.000 Mitglieder zum Jahresende geschrumpft. Für die Partei war dies der erste Mitgliederschwund seit fünf Jahren. Ein Parteisprecher hatte dies im Januar teils damit erklärt, dass die Mitgliedschaft von Menschen, die ihre Beiträge nicht gezahlt hätten, beendet worden seien. Einige Mandatsträger, die ausgetreten waren, hatten ihren Austritt mit dem nach ihrer Einschätzung gewachsenen Einfluss der Rechtsaussen-Strömung in der Partei begründet.
Die vom früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegründete Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) hatte einige von ihnen aufgenommen. Der LKR-Bundesvorsitzende Jürgen Joost sagte: «Wer sich glaubhaft von der AfD abwendet, darf dafür nicht gebrandmarkt werden. Als Liberal-Konservative Reformer sind wir bereit, Brücken zu bauen für jeden, der unsere satzungsmässigen Ziele und politischen Grundsätze teilt.»