Montenegro: Zwist wegen Deutung von Srebrenica-Völkermord
Bei der Deutung des Srebrenica-Völkermords herrscht ein Zwist in der Regierung Montenegros. Westliche Diplomaten hatten Aussagen des Justizministers kritisiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Montenegros Ministerpräsident hat die Enlassung des Justizministers vorgeschlagen.
- Dieser hatte den Völkermord-Charakter des Massakers von Srebrenica angezweifelt.
- Seine Aussagen waren von westlichen Diplomaten kritisiert worden.
Die Deutung des Völkermords im bosnischen Srebrenica von 1995 sorgt für Streit in der Regierung Montenegros.
Ministerpräsident Zdravko Krivokapic hat am Montag dem Parlament in Podgorica die Entlassung des Justizministers Vladimir Leposavic vorgeschlagen, weil dieser jüngst öffentlich den Völkermord-Charakter des Massakers von Srebrenica in Zweifel gezogen hat. Zuvor hatten westliche Diplomaten Leposavic' Äusserungen kritisiert.
Polizei und serbische Paralmilitärs hatten im Juli 1995 in der Umgebung des bosnischen Orts Srebrenica rund 8000 bosnische Muslime (Bosniaken) getötet.
Gericht ordneten Massaker als Völkermord ein
Der Internationale Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (UN-Kriegsverbrechertribunal) sowie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag haben das Massaker von Srebrenica als Völkermord eingeordnet.
Sowohl Krivokapic als auch Leposavic gelten als proserbisch. Jedoch strebt das Nato-Land Montenegro auch den EU-Beitritt an. Ob das Parlament der Entlassung von Leposavic zustimmen würde, galt als unsicher.
Krivokapic betonte, er habe Leposavic aufgefordert, seine Äusserungen zu Srebrenica zurückzunehmen, da diese «in völligem Gegensatz zur Regierungspolitik stehen». Als Leposavic dem nicht nachkam, habe er den Minister vergeblich zum Rücktritt aufgefordert.
11. Juli zum Gedenktag für die Opfer erklärt
Leposavic hatte am 26. März dieses Jahres im Parlament auf die Frage eines proserbischen Abgeordneten gesagt, es stehe ihm nicht zu beurteilen, ob es sich beim Massaker von Srebrenica um einen Völkermord handle. Er sprach auch dem UN-Kriegsverbrechertribunal seine Legitimität ab.
Montenegros Parlament hatte 2009 eine Srebrenica-Resolution des EU-Parlaments angenommen und den 11. Juli zum Gedenktag für die Opfer dieses Massakers erklärt. Allerdings kommt der Begriff «Völkermord» in diesem Parlamentsbeschluss nicht vor. Im Dezember 2020 lehnte das Parlament den Antrag eines Vertreters der Muslime explizit ab, das Massaker von Srebrenica als Völkermord anzuerkennen.