Belarus drohen nach umstrittener Wahl und Gewalt gegen Demonstranten EU-Sanktionen
Das Wichtigste in Kürze
- Tausende Festnahmen seit Sonntag - Bundesregierung prangert «Repressionswelle» an.
Die Bundesregierung prangerte eine «Repressionswelle» in dem autoritär regierten Land an. Am dritten Tag der Proteste schoss die Polizei in Brest auf Demonstranten. Seit Sonntag wurden tausende Demonstranten festgenommen.
In Belarus gibt es seit Tagen massive Proteste gegen die von Wahlbetrugsvorwürfen begleitete Präsidentschaftswahl am Sonntag. Laut dem amtlichen Wahlergebnis kam der seit 26 autoritär regierende Staatschef Alexander Lukaschenko auf mehr als 80 Prozent der Stimmen. Seine inzwischen nach Litauen geflüchtete Hauptrivalin Swetlana Tichanowskaja erhielt demnach nur rund zehn Prozent.
Die EU-Mitgliedstaaten verurteilten die Wahl am Dienstagabend als «weder frei noch fair» und kündigten an, die Beziehungen zu dem Land auf den «Prüfstand» zu stellen. Bei einer Videokonferenz am Freitag beraten die Aussenminister über die mögliche Wiedereinführung von Strafmassnahmen gegen Belarus. Politische Entscheidungen können auf diesem Weg nicht getroffen werden. Die Minister könnten die EU-Kommission aber bereits mit der Prüfung verschiedener Sanktionsmöglichkeiten beauftragen.
Die EU prangerte auch die Gewalt gegen regierungskritische Demonstranten und willkürliche Festnahmen an. In der südbelarussischen Stadt Brest schoss die Polizei nach Angaben des Innenministeriums mit scharfer Munition auf Demonstranten, nachdem eine «Gruppe aggressiver Bürger» die Beamten angegriffen habe. Mindestens ein Mensch wurde demnach verletzt. Am Montag war bereits ein Demonstrant getötet worden - laut Regierungsangaben, weil ein Sprengsatz in seinen Händen explodierte.
Die Bundesregierung verurteilte die Gewalt gegen Demonstranten scharf. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von einer «regelrechten Repressionswelle» in Belarus und forderte die Freilassung all jener, «die verhaftet wurden, weil sie friedlich für ihre demokratischen Rechte demonstriert haben». Die Ausreise der Oppositionspolitikerin Tichanowskaja nach Litauen zeige, welches «Klima der Einschüchterung, der Angst, auch der Gewalt» in Belarus herrsche.
US-Aussenminister Mike Pompeo rief zum Schutz der «nicht gewalttätigen Demonstranten» auf. Er erwarte von der EU, dass sie «Massnahmen ergreife, denn die Belarussen haben dasselbe Recht auf Freiheit und Demokratie wie wir», sagte Pompeo bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis in Prag.
Insgesamt gab es nach offiziellen Angaben der Regierung in Minsk am Dienstagabend Demonstrationen in 25 belarussischen Städten. Landesweit wurden demnach mehr als tausend Menschen festgenommen. Damit erhöhte sich die Gesamtzahl der offiziell vermeldeten Festnahmen seit Sonntag auf mehr als 6000.
Auch in Minsk gingen die Sicherheitskräfte erneut brutal gegen die Protestierenden vor. Polizisten feuerten Blendgranaten ab und schossen mit Gummikugeln auf Protestierende, wie AFP-Reporter berichteten. Auf im Internet veröffentlichten Videos war zu sehen, wie die Polizei auf am Boden liegende Demonstranten eintrat, mit Schlagstöcken auf Autos einschlug und unbeteiligte Passanten angriff.
Auch gegen Pressefotografen ging die Polizei gezielt vor. Beamte zogen Speicherkarten aus deren Kameras und zerstörten Objektive. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisierte die Gewalt. Wiederholt seien mehrere in- und ausländische Reporter mit Schlagstöcken verletzt und zeitweise inhaftiert worden, teilte der Verband mit.
Nach Angaben der belarussischen Behörden schwächen sich die Proteste ab. Sowohl die Zahl der Demonstranten als auch die Zahl der Städte, in denen es zu Protesten kam, habe abgenommen, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. Mehr als 50 Menschen mussten demnach medizinisch behandelt werden. In 17 Fällen seien Ermittlungen wegen Gewalt gegen Polizeibeamte eingeleitet worden.
Er sei «fassungslos über das beispiellose Mass an Grausamkeit und Gewalt» der Sicherheitskräfte, sagte Oleg Gulak, Leiter der Menschenrechtsorganisation Belarussisches Helsinki-Komitee. «Letzte Nacht war die angsteinflössendste Nacht in der modernen Geschichte von Belarus.»