Recep Tayyip Erdogan: Jetzt kehrt die Elite der Türkei den Rücken
Die Elite zeigt sich entsetzt über die Wiederwahl von Recep Tayyip Erdogan. So entsetzt, dass viele gebildete Türken ihre Heimat verlassen wollen.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit der Wiederwahl des türkischen Präsidenten will die Elite das Land verlassen.
- Nach bereits turbulenten Jahren fürchten sie eine noch schlechtere Zukunft in der Türkei.
Trotz Wirtschaftskrise, trotz misslungenem Krisenmanagement nach den Erdbeben und trotz einer erstarkten Opposition hat es Recep Tayyip Erdogan erneut geschafft. Er wurde für weitere fünf Jahre zum Präsidenten der Türkei gewählt.
Zu verdanken hat der 69-Jährige seinen Wahlsieg vor allem den im Ausland lebenden Türkinnen und Türken. Denn im eigenen Land ist der Rückhalt für Präsident Erdogan so gering wie noch nie.
63 Prozent der jungen Türken wollen auswandern
Wie aus der Türkischen Jugendstudie der Konrad-Adenauer-Stiftung hervorgeht, wollen 63 Prozent der jungen Türkinnen und Türken ihr Land verlassen. Unter ihnen befinden sich vor allem hochgebildete Personen wie Meriç Atar.
Die 36-jährige Ingenieurin hat schon viel Schreckliches in ihrer Heimatstadt Istanbul erlebt. Auswandern wolle sie allerdings erst jetzt, erklärt Atar im Interview mit dem «Spiegel». Denn mit der Wiederwahl Erdogans sei sie endgültig «eine Fremde» in ihrem Land.
Am liebsten würde die junge Türkin nach Berlin ziehen. Dass jedoch so viele Deutschtürken für Erdogan gestimmt haben, bereite ihr Sorgen. Ihren Partner wiederum zieht es in die USA. «Hauptsache weg aus der Türkei», so ihre Devise.
Leiden letztlich Erdogans Anhänger?
Auch Irmak Kocar will ihr Zuhause in Ankara verlassen. «Ich fühle mich, als wäre ich Teil einer Minderheit. Ich lebe in ihrem Land», sagt die Mitte 20-Jährige und meint die Anhängerschaft von Präsident Erdogan.
Ihr Partner Ata Cankat Özkalaycı würde mit ihr auswandern, auch wenn er vor allem Erdogans Anhänger als Verlierer sieht. «Irmak und ich werden nicht hungern. Wir haben beide einen Uni-Abschluss und sehr gute Jobs», erklärt der ebenfalls Mitte 20-Jährige.
«Wir werden uns vielleicht nicht das neueste Auto leisten können und kein grosses schönes Haus. Aber diese Leute werden hungern, wenn sie es nicht jetzt schon tun. Es ist eine Schande, dass sie Erdogan trotzdem ihre Stimme geben.»