«Reinheitsgebot» bei Cannabis - Verband fordert Standards
Die Ampel-Koalition will Cannabis legalisieren. Die Arbeit an einem Gesetz läuft. Die Branche hofft seit langem auf grosse Umsätze in Deutschland und legt nun Vorschläge vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Beim Bier ist es das Qualitätssiegel: das «Reinheitsgebot».
Vertreter der Cannabis-Branche haben nun ein solches Gebot im Falle der geplanten Legalisierung auch für Cannabis vorgeschlagen. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft legte dafür am Donnerstag Empfehlungen vor.
In einem Papier werden konkrete Qualitätsanforderungen formuliert, etwa Standards zur Qualitätssicherung in Produktionsbetrieben, Vorgaben für Verpackungen und die Lagerung von Cannabis, Grenzwerte für Verunreinigungen, Schwermetalle oder Pestizide und auch ein Verbot von Streckmitteln.
Die Vorschläge seien in Zusammenarbeit mit Experten aus Anbau-, Labor- und Lebensmittelkontrolle entstanden, sagte der Vizepräsident des Verbands, Dirk Heitepriem: «Nur mit höchster und kontrollierter Qualität können wir erfolgreich den illegalen Markt zurückdrängen und damit die Ziele der Bundesregierung zum Gesundheits- und Jugendschutz erreichen.» Die Empfehlungen sollten dazu beitragen, ein «Reinheitsgebot» für Cannabis als Genussmittel zu etablieren, hiess es weiter.
Staatliche Regulierung geplant
Die Cannabis-Legalisierung gehört zu den Grossprojekten der Ampel-Koalition. In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, eine «kontrollierte Abgabe der Droge an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» möglich zu machen. Cannabis soll staatlich reguliert in Deutschland angebaut und verkauft werden. Erlaubt werden soll auch der Eigenanbau von wenigen Pflanzen.
Die Argumente der Ampel für das Vorhaben:
- Die Verbotspolitik habe die Nutzung nicht verhindert, stattdessen habe es sogar einen Anstieg des Konsums gegeben.
- Ein legaler und staatlich überwachter Verkauf könne den Jugend- und Gesundheitsschutz verbessern, durch weniger verunreinigtes Cannabis und geringere Gefahren einer Überdosierung.
- Der Schwarzmarkt und die Kriminalität könnten eingedämmt und mit möglichen Steuereinnahmen aus dem Verkauf Präventionsprogramme finanziert werden.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte im Herbst die ersten konkreten Ideen zur Umsetzung präsentiert (Eckpunkte). Der nächste Schritt wäre ein fertiger Gesetzentwurf. Dieser soll bis Ende März vorliegen.
Offen ist aber weiterhin, was aus dem Vorhaben am Ende wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die EU in einem sogenannten Notifizierungsverfahren (Prüfung) ein Veto gegen die deutschen Pläne einlegt, sollten diese nach Auffassung der Kommission EU- und internationalem Recht widersprechen. Die Staaten des Schengen-Raums haben sich beispielsweise im «Schengener Durchführungsübereinkommen» dazu verpflichtet, «die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschliesslich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden».
Kritik aus der CSU
Die Bundesregierung will die EU davon überzeugen, dass eine Legalisierung und strenge Regulierung des Cannabis-Marktes dem Anliegen der EU-Verträge zum Gesundheits- und Jugendschutz besser Rechnung trägt. Lauterbach hat dafür ein Gutachten am Institut für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung (ISD) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in Auftrag gegeben, um gute Argumente zur Hand zu haben.
Das knapp 81.000 Euro teure Gutachten nennt der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger eine «nutzlose Steuergeldverschwendung». «Das Cannabis-Projekt der Ampel war und ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Pilsinger hatte beim Bundesgesundheitsministerium die Kosten des Gutachtens erfragt. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte zuerst darüber berichtet. Das Thema Cannabis sei reine Zeitverschwendung, sagte Pilsinger. Es gebe deutlich wichtigere Baustellen in der Gesundheitspolitik. Die Union ist gegen die Legalisierung.
Die «Augsburger Allgemeine» hatte vor wenigen Tagen unter Berufung auf die SPD-Rechtsexpertin Carmen Wegge berichtet, dass die Ampel ihr Vorhaben wegen der möglichen europarechtlichen Hürden eventuell aufteilen könnte: Zuerst könnten Besitz und Konsum von Cannabis straffrei gestellt werden, wofür keine Zustimmung aus Brüssel nötig sei. Der weiterreichende Teil der Legalisierung von Anbau und Handel könnte demnach später kommen.