Studie: Ein Fünftel der Erwerbstätigen teilt Corona-Zweifel und Verschwörungserzählungen
Fast ein Fünftel der Erwerbstätigen in Deutschland teilt laut einer aktuellen Studie Zweifel an der Gefährlichkeit der Corona-Pandemie und glaubt an Verschwörungserzählungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Betroffene neigen öfters zu riskantem Verhalten.
Der Glaube an solche Verschwörungen hängt auch eng mit einer erhöhten Bereitschaft zu riskantem Verhalten zusammen, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag erklärte. Besonders ausgeprägt waren Corona-Zweifel demnach bei Menschen mit niedrigem Einkommen oder Schulabschluss, sowie bei Menschen, die finanziell unter der Pandemie gelitten hatten.
Für die Studie wertete die Hans-Böckler-Stiftung eine aktuelle Erwerbspersonenbefragung unter mehr als 5000 Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden aus. Die Teilnehmer wurden von Ende Juni bis Mitte Juli 2021 befragt, dieselbe Gruppe war bereits im April, im Juni und im November 2020 sowie im Januar 2021 interviewt worden.
Das Ergebnis: 18 Prozent der Erwerbspersonen teilten im Sommer 2021 «in hohem Ausmass» Verschwörungserzählungen rund um die Corona-Pandemie und zweifelten an der Gefährlichkeit des Virus. 57 Prozent der Befragten lehnten solche Haltungen ab, ein knappes Viertel war sich unsicher.
Bei dem knappen Fünftel der Corona-Zweifler verwischte dabei die Grenze zwischen der Zustimmung zu kritischen Positionen und offenen Verschwörungsmythen. Mehr als 90 Prozent derjenigen Befragten, die der Aussage zustimmten, die derzeitigen Einschränkungen der Freiheitsrechte stellten «eine Bedrohung der Demokratie dar», konnten sich auch vorstellen, dass hinter der Pandemie eine Elite stehe, «die eine neue Weltordnung erschaffen will», oder eine Elite, die die Pandemie nutze, «um die Interessen der Reichen und Mächtigen durchzusetzen».
Besonders stark verbreitet waren solche Ansichten bei Menschen mit niedrigem Einkommen oder einem niedrigen Schulabschluss. Auch jüngere Befragte stimmten solchen Aussagen häufiger zu, und solche, die bislang keine Corona-Infektionen in ihrem näheren Umfeld hatten. Auch in Ostdeutschland, sowie bei Menschen, die finanziell unter der Corona-Krise litten, zeigte sich eine erhöhte Bereitschaft, an Verschwörungserzählungen zu glauben.
Besonders problematisch war laut den Studienautoren, dass mit einem erhöhten Glauben an Verschwörungsmythen auch die Bereitschaft zu riskantem Verhalten deutlich anstieg. So stimmten 52 Prozent derer, die sich nach eigener Auskunft nicht an Abstands- und Hygieneregeln hielten, Verschwörungserzählungen zu. Gut 80 Prozent der Menschen, die sich «auf keinen Fall» impfen lassen wollten, äusserten Corona-Zweifel und befürworteten Verschwörungsmythen. Auch bei den Menschen, die sich «eher nicht» impfen lassen wollten, war der Glaube an solche Erzählungen erhöht.
Der Studienautor und Experte für Sozialforschung der Hans-Böckler-Stiftung, Andreas Hövermann, bewertete die Studienergebnisse als eindrücklichen Beleg dafür, «wie bedeutend der Faktor Misstrauen bei der Impfentscheidung» sei. Skepsis und Verschwörungsmythen stellten eine «grosse Behinderung» im Kampf gegen die Pandemie dar. Problematisch sei nicht nur die niedrige Impfbereitschaft der Gruppe, «sie verhalten sich darüber hinaus auch besonders rücksichtslos, sodass sie eine stark erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, bald sich selbst und womöglich auch andere zu infizieren», erklärte Hövermann.
Der Experte forderte, den Zusammenhang zwischen der Zustimmung zu Verschwörungserzählungen und der wirtschaftlichen Lage der Betroffenen ernster zu nehmen. Durch eine bessere «finanzielle Abfederung der durch die Krise entstandenen finanziellen Folgen und damit der Kontrollverluste» könne Vertrauen zurückgewonnen und das Gefühl vermittelt werden, «politisch mit seinen finanziellen Nöten und Sorgen gesehen und vertreten zu werden». Gleichzeitig müsse Desinformation weiterhin abgeschwächt oder widerlegt werden.