Ukraine-Krieg – Analyst: Kiew führt «zwei Kriege gleichzeitig»
Kiew kämpft im Ukraine-Krieg nicht nur gegen Russland. Auch innerhalb des Landes gibt es Probleme – beispielsweise die Korruption oder die Fahnenflucht.
Das Wichtigste in Kürze
- Interne Probleme machen der Ukraine im Krieg das Leben noch schwerer als ohnehin schon.
- Viele Schwierigkeiten haben mit der sowjetischen Vergangenheit zu tun, sagt ein Experte.
- Dennoch gebe es auch positive Zeichen.
Der Ukraine-Krieg zieht sich weiterhin in die Länge. Auch nach fast drei Jahren ist noch kein Frieden in Sicht.
Zuletzt mussten Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein Land immer wieder Rückschläge verkraften. Wladimir Putin und seine Russen machen Berichten zufolge in mehreren Regionen Fortschritte.
Ukraine-Krieg: Kiew kämpft auch gegen sich selbst
Dazu kommt, dass Kiew nicht nur gegen Moskau kämpft. Stattdessen sieht man sich mit einer Art Zweifrontenkrieg konfrontiert.
Die Ukraine führe «zwei Kriege gleichzeitig», sagt der ukrainische Analyst Illja Ponomarenko in der SRF-Sendung «Echo der Zeit».
Neben demjenigen gegen Russland meint der Experte damit den Kampf gegen Probleme im eigenen Land. Dazu gehören die Korruption oder die Fahnenflucht, die der Armee zu schaffen macht.
Die fehlende Motivation hängt unter anderem mit der Geschichte der Ukraine zusammen. «Viele Probleme im ukrainischen Militär kommen von alten sowjetischen Gewohnheiten», so Ponomarenko. Man habe Angst, den Vorgesetzten zu enttäuschen, schlechte Nachrichten zu überbringen oder Verantwortung zu übernehmen.
Unabhängige Figuren, die den Vorgesetzten mal Nein sagen, können einen wichtigen Unterschied machen. Allerdings hätten es solche Personen schwer.
Als positives Signal wertet Ponomarenko deshalb die Beförderung von Michailo Drapati zum Heereskommandant. «Er hat gezeigt, dass er ein vernünftiger Kommandant ist», sagt der Analyst. Wenn nötig lehne er sich auch gegen seine Vorgesetzten auf.
Analyst: «Jede Option ist schlecht»
Das grösste Problem bleibt aber der Mangel an Soldaten. Luftwaffe-Spezialisten müssen in die Infanterie. Keine gute Idee, sagt Ponomarenko, der gleichzeitig aber auch betont: «In diesem Krieg gibt es keine guten Entscheide. Jede Option ist schlecht.»
Für den Analysten ist klar: Der Ukraine-Krieg entscheidet sich vor allem in den Schützengräben – deshalb müsse man den Infanteriesoldaten-Mangel irgendwie kompensieren.
Trotz aller Probleme steht für Ponomarenko nicht fest, dass Russland den Krieg gewinnen wird. Im Gegenteil: Der verschwenderische Umgang mit Ressourcen und Soldaten könnte für den Kreml noch teuer werden. Die Ukraine mache derweil vieles mit ihren Widerstandswillen wett.
Ende Januar kündigte Selenskyj an, die ukrainischen Streitkräfte modernisieren zu wollen. Diese Modernisierung sei «alternativlos», erklärte der Präsident.