Ukraine Krieg: Selenskyj beschwört Glaube an den Sieg
Nach mehr als drei Monaten Ukraine-Krieg glaubt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch immer fest an den Sieg.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Ukraine-Krieg dauert nun seit 100 Tagen an.
- Wolodymyr Selenskyj glaubt noch immer fest an den Sieg.
- Es gebe drei Dinge, für die seine Landsleute kämpften: Frieden, Sieg, Ukraine.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat 100 Tage nach dem russischen Einmarsch in sein Land den Glauben an den Sieg beschworen. Es gebe drei Dinge, für die seine Landsleute kämpften: Frieden, Sieg, Ukraine, sagte Selenskyj am Freitag in seiner Videoansprache.
Diese wurde unter freiem Himmel vor seinem Amtssitz in Kiew aufgenommen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 24. Februar den Angriff auf das Nachbarland befohlen. Der Samstag ist für die Ukraine also der 101. Tag des Krieges.
Vertreter seines Landes würden sich erst wieder an den Verhandlungstisch setzen, wenn ihre militärische Position stärker sei, sagte der ukrainische Chefunterhändler Dawyd Arachamija.
Eine Verhandlungspause sei besser, solange im Osten des Landes schwere Gefechte tobten. Dort kämpften in der Stadt Sjewjerodonezk im Donbass russische und ukrainische Soldaten weiter um jeden Strassenzug. Zugleich beobachtete das ukrainische Militär nach eigenen Angaben eine Ansammlung russischer Truppen, die anscheinend die Stadt Slowjansk angreifen sollen.
100 Worte zur bitteren Erfahrung des Krieges
«Vor genau 100 Tagen sind wir in einer neuen Realität aufgewacht», sagte Selenskyj in der Ansprache. Er beschrieb die Erfahrung des Krieges anhand von 100 Wörtern, die Ukrainerinnen und Ukrainer hätten lernen müssen.
Dazu zählten schreckliche Begriffe wie Raketentreffer, Ruinen, Deportation. Mit Kriegsgräueln verbundene Ortsnamen seien dazugekommen wie Hostomel, Butscha oder Mariupol, die Bezeichnungen russischer, ukrainischer und ausländischer Waffensysteme. Aber es gebe auch positive besetzte Worte: Wiederaufbau, Rückkehr, Befreiung.
Vor dem Angriff habe die russische Armee den Ruf als zweitstärkste der Welt gehabt, sagte Selenskyj. «Was ist von ihr geblieben?», fragte er: «Kriegsverbrechen, Schande und Hass.» Die Ukraine aber habe bestanden, sie bestehe und werde bestehen.
Die nächste Schlacht im Donbass?
Die russische Armee zieht nach Angaben des ukrainischen Generalstabs Kräfte für einen Angriff auf die Grossstadt Slowjansk zusammen. Das Militär sprach am Freitagabend auf Facebook von bis zu 20 taktischen Bataillonsgruppen (BTG) der Russen. Das sind Kampfeinheiten mit gepanzerter Infanterie, Artillerie und Luftabwehr; sie zählen 600 bis 800 Soldaten.
Slowjansk gehört zum ostukrainischen Verwaltungsgebiet Donezk, dessen vollständige Eroberung sich Russland auf die Fahnen geschrieben hat. Die Stadt liegt ausserdem im Rückraum der seit Tagen umkämpften Stadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk.
Dort rücke der Feind im Schutz von starkem Artilleriefeuer in den Wohnvierteln weiter vor, habe damit aber nur teilweise Erfolg, hiess es in dem Bericht der ukrainischen Seite. Die russischen Kräfte haben verkündet, die Stadt fast vollständig unter Kontrolle zu haben. Dagegen berichtete die ukrainische Gebietsverwaltung, die eigene Armee habe mit Gegenangriffen ein Fünftel der Stadt zurückgewonnen. Wie immer waren die militärischen Angaben zunächst nicht unabhängig überprüfbar.
Ukraine will nur aus stärkerer Position verhandeln
Der Kiewer Chefunterhändler Arachamija sagte im ukrainischen Fernsehen: «Die Verhandlungen sollen fortgesetzt werden, wenn unsere Verhandlungsposition gestärkt ist.» Die Ukraine werde vor allem dadurch stärker, «dass die Waffen, die uns von internationalen Partnern ständig versprochen werden, endlich in ausreichender Menge eintreffen».
Der Fraktionsvorsitzende der Präsidentenpartei Diener des Volkes hatte die Kiewer Delegation in Gesprächen mit Russland in den ersten Wochen des Krieges geführt. Der Kontakt verebbte aber, als nach dem Abzug russischer Soldaten Gräueltaten in Kiewer Vororten wie Butscha bekannt wurden. Selenskyj will erst wieder verhandeln, wenn russische Truppen sich auf ihre Positionen vor Kriegsbeginn zurückziehen. Er will auch mit Putin direkt sprechen, was Russland bislang ablehnt.
Die USA, Grossbritannien und europäische Verbündete haben einem CNN-Bericht zufolge in den vergangenen Wochen darüber beraten, wie der Krieg durch eine ausgehandelte Lösung beendet werden könnte. Dabei ging es den Angaben nach auch um einen Vorschlag, den Italien im Mai unterbreitet hatte.
Danach sollte die Ukraine militärisch neutral bleiben, also nicht der Nato beitreten und im Gegenzug Sicherheitsgarantien bekommen. Über die von Russland annektierte Halbinsel Krim und die Separatistengebiete im Donbass sollten Kiew und Moskau sich in Verhandlungen einigen.