Die Pandemie verhindert auch das traditionelle Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in Davos. Doch bei aller Sorge vor den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen - das WEF sieht schlimmere Gefahren als Corona.
Ganz schön heiss: Ein Mann kühlt sich im «Death Valley»-Nationalpark im US-Bundesstaat Arizona bei 59 Grad Hitze mit einer mit Eiswasser gefüllten Plastikflasche auf dem Kopf ab (Archiv). Foto: John Locher/AP/dpa
Ganz schön heiss: Ein Mann kühlt sich im «Death Valley»-Nationalpark im US-Bundesstaat Arizona bei 59 Grad Hitze mit einer mit Eiswasser gefüllten Plastikflasche auf dem Kopf ab (Archiv). Foto: John Locher/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • «It's the climate» - es geht um das Klima! Es wirkt, als wolle das Weltwirtschaftsforum (WEF) den alten Wahlkampfspruch des früheren US-Präsidenten Bill Clinton über den Vorrang der Wirtschaft in abgewandelter Form wiederbeleben.
Ad

Denn die Antwort des WEF auf alle Gefahren und damit auch auf die Corona-Pandemie lautet: mehr Klimaschutz. Gedeckt wird dies vom Weltrisikobericht, den das WEF vorstellte. Demnach gelten extreme Wetterereignisse, Versagen im Kampf gegen den Klimawandel und menschengemachte Umweltschäden weiter als grösste Gefahren.

Diese Haltung wird sicher auch die Umweltaktivistin Greta Thunberg vertreten. Die Schwedin soll in der kommenden Woche an der Online-Konferenz «Davos Agenda» teilnehmen, die anstelle des Jahrestreffens im Schweizer Alpenort Davos stattfindet. Thunberg werde ein Video und einen Podcast mit dem Social-Media-Team des WEF für die Veranstaltung machen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus dem Umfeld der 18-Jährigen.

Allerdings hinterlässt die Pandemie ihre Spuren im Bericht, den das WEF zusammen mit dem Versicherer Zurich, dem Risikoberater Marsh und dem Mischkonzern SK Group aufbereitet. Erstmals in seiner Geschichte untersucht die Studie dabei, welche Risiken wann als Bedrohung für die Welt gesehen werden. Demnach gelten - sicher unter dem Einfluss der Corona-Krise - Pandemien als kurzfristigste Risiken. Das deckt sich mit dem Risikobarometer des Versicherungskonzerns Allianz.

Dabei sind Pandemien im Vergleich zum Vorjahr vom 17. auf den 2. Platz empor geschossen, wie die Fachleute des zu dem Münchner Konzern gehörenden Industrieversicherers AGCS in ihrer jährlichen Umfrage unter 2769 Experten für Unternehmensgefahren aller Art aus 92 Ländern ermittelt haben. Die Umfrage wurde veröffentlicht. Auf Platz eins liegen demnach Betriebsunterbrechungen, auf Rang drei Hackerangriffe, die im Vorjahr noch als grösstes Risiko für Unternehmen galten. Befragt wurden Geschäftsführer und Vorstände, Risikomanager, Makler und Versicherungsexperten.

Das WEF und seine Partner betonen, dass beim Wiederaufbau von Gesellschaft und Wirtschaft nach der Pandemie der Klimaschutz zwingend berücksichtigt werden müsse. Unausgegorene Massnahmen bedrohten den Kampf gegen den Klimawandel. «Es gibt keinen Impfstoff gegen Klimarisiken», sagte Peter Giger, Risiko-Chef des Versicherungskonzerns Zurich.

WEF-Managerin Saadia Zahidi mahnte Regierungen, Unternehmen und Gesellschaften zur Zusammenarbeit. Denn auch soziale Spaltung sowie digitale Benachteiligung hätten Auswirkungen auf den Umweltschutz. «Untätigkeit gegen wirtschaftliche Ungleichheiten und gesellschaftliche Spaltung kann Massnahmen gegen den Klimawandel weiter behindern, der immer noch eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit ist.»

Das passt zum Motto des WEF: «Den Zustand der Welt verbessern.» Zahidi betonte, es müssten neue wirtschaftliche und soziale Systeme gestaltet werden, «die unsere kollektive Widerstandsfähigkeit» verbessern. Die Corona-Pandemie habe Millionen Leben gekostet sowie die langjährigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und digitalen Unterschiede noch vergrössert.

So sieht der Weltrisikobericht auch kurzfristige Gefahren in Arbeitsmarktkrisen und digitaler Ungleichheit. Mittelfristig gilt die Angst vor wirtschaftlichen und technologischen Risiken, langfristig - und damit existenziell - ist die Furcht gross vor Massenvernichtungswaffen, dem Zusammenbruch von Staaten und dem Verlust biologischer Vielfalt. Vor allem soziale Gefahren bereiten dem WEF Sorgen. Wenn die Kluft zwischen Menschen mit Zugang zu Technologien und digitaler Kompetenz und denjenigen ohne zunehme, werde dies vor allem die Zukunft junger Leute gefährden.

Der Weltrisikobericht gilt als eine Grundlage für die Debatten während der «Davos Agenda». Vom 25. Januar an diskutieren Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über aktuelle Fragen. Geplant sind auch Ansprachen führender Staats- und Regierungschefs, etwa von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ein physisches Treffen ist für Ende Mai in Singapur geplant. Dort sollen die Diskussionen des Online-Formats einfliessen - sicher auch der Klimawandel.

Bei der Allianz sind sie sicher, dass die Pandemie den Klimaschutz nicht dauerhaft aus den Schlagzeilen verdrängen wird. Im Gegenteil: «Mit der Umsetzung der Impfprogramme wird die Pandemie beherrschbarer werden, und der Klimawandel wird im Jahr 2021 wieder als Priorität auf der Agenda des Managements stehen», sagte Michael Bruch, globaler Leiter für Nachhaltigkeitsthemen bei AGCS.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

CoronavirusGreta ThunbergStudieAngstAngela MerkelWEFKlimawandel