Alle verlieren beim WEF-Debakel laut renommiertem Anwalt
Aufgrund von Whistleblower-Vorwürfen hat der WEF-Stiftungsrat den Rücktritt von Klaus Schwab gefordert. Eine konfrontative Entscheidung, so ein Zürcher Anwalt.

Das Wichtigste in Kürze
- Klaus Schwabs Rücktritt als WEF-Chef sorgt für viel Gesprächsstoff.
- Nicht nur Schwab, sondern das ganze WEF leiden unter der Kontroverse.
- Der Zürcher Anwalt Peter Nobel beurteilt das Verhalten des Forums als unverhältnismässig.
Der WEF-Rücktritt von Gründer Klaus Schwab kam völlig unerwartet – und warf zahlreiche Fragen auf.
So wurden erst einige Tage nach Schwabs Abgang die Hintergründe dazu klar: Der Stiftungsrat habe eine Untersuchung von Whistleblower-Vorwürfen gegenüber Schwab eingeleitet – ohne vorherige Gesprächssuche mit dem damaligen WEF-Chef.
Peter Nobel, einer der renommiertesten Schweizer Wirtschafts-Anwälte, sieht darin ein überaus voreiliges und unverhältnismässiges Vorgehen. Das verrät er im Interview gegenüber «CH Media».
Das falsche Vorgehen vom WEF-Stiftungsrat
«Mir scheint, der Stiftungsrat hat sich für ein sehr konfrontatives Vorgehen entschieden», sagt Schwab.
Die Einleitung der Untersuchung fand wohl überstürzt statt. Laut Schwab haben die Stiftungsräte beim Treffen der Entscheidung «von Tuten und Blasen keine Ahnung» gehabt.
«Wie sich ein paar Tage später zeigte, war das Vorgehen gegen Klaus Schwab sicher nicht verhältnismässig.» Denn: «Das Gewicht dieser Vorwürfe steht in keinem Verhältnis zu den Folgen, die Schwab nun tragen muss – bevor überhaupt eine Untersuchung begonnen hat.»
Schwab kritisiert den Stiftungsrat heftig: «Einfach so eine Untersuchung zu starten und dann in Kauf zu nehmen, dass die ganze Sache an die Medien geleakt wird, ist weder sach- noch personen-adäquat.»
Wer gewinnt, wer verliert?
Das Vorgehen des Stiftungsrats ist für Nobel äusserst fragwürdig. «Der Stiftungsrat ist für das Ansehen des WEF verantwortlich», sagt der Anwalt.
In dieser Aufgabe seien die Räte jedoch eindeutig gescheitert: «Mit Bezug auf die Reputation ist der Schaden für die Organisation ungleich grösser als alles, was Klaus Schwab angerichtet haben könnte.»
Dass der Stiftungsrat am Ostersonntag zu einer solch voreiligen Entscheidung kam, schiebt Nobel auf den Selbsterhaltungstrieb der Räte: «In einer solchen Situation denken die meisten nur an sich und die eigene Reputation. Sie wollen sich selbst schützen.»
Die Reputation des WEF-Präsidenten sowie diejenige der Organisation sei wohl irrelevant gewesen. Und die Folgen davon lassen sich sehen: «Das Vorgehen dieser vermeintlichen Weltklasseorganisation hat dazu geführt, dass Klaus Schwabs Ruf vernichtet wurde und jener der Organisation zumindest angeschlagen ist.»
Stiftungsrat muss auf Untersuchungsergebnis hoffen
Für Schwab dürfte selbst der bestmögliche Untersuchungsbefund zu spät kommen. «Schwab wird nicht mehr zurückkommen, und sein Ruf wird nicht integral wiederhergestellt werden», so Nobel.
Aber auch das Forum leidet stark unter der Untersuchung: Dass gerade die Organisation, «die sonst allen anderen Unternehmen sagt, wie man es machen sollte», einem internen Fall zum Opfer fällt? «Das ist eine griechische Tragödie», so Nobel.
Umso wichtiger sei es für das Forum nun, dass tatsächlich Fehlverhalten auf Seiten Schwabs aufgedeckt werde. Nobel: «Das WEF kann jetzt nur hoffen, dass Fleisch am Knochen ist.»

Und falls nicht? «Sollte sich zeigen, dass das Vorgehen gegen Schwab unverhältnismässig war, dann schlägt das massiv zurück. Gegen das WEF, gegen den Stiftungsrat.»
Der einzige Gewinner in dieser Angelegenheit sei wohl die Kanzlei, welche nun die Untersuchung gegen Klaus Schwab durchführt. Die grossen Anwaltbüros lieben laut Nobel solche Untersuchungen.
«Es gibt keine schöneren Mandate als firmeninterne Grossuntersuchungen. Alle sind unabhängig, niemand macht sich die Finger schmutzig.»
Auch sie stehen jedoch unter einem gewissen Druck. «Die externen Rechtsanwälte müssen liefern», bestätigt Nobel. Schliesslich wolle man es sich mit dem Auftraggeber nicht verderben.
Wessen Schuld sind die vermeintlichen falschen Abrechnungen?
Doch wie viel kann da überhaupt aufgedeckt werden? Die im Raum stehenden Vorwürfe gegenüber Schwab besagen, dieser habe sich Massagen mit WEF-Geldern bezahlen lassen. Seine Frau habe sich ebenfalls vom Forum private Ausgaben zahlen lassen, wie etwa Ferien.
Nobel stellt aber klar: «Es ist Aufgabe der Gremien, klare Regeln zu erlassen und Missbräuche zu verhindern.» Die Ausgaben von Schwab hätten also durchaus überprüft werden sollen. Etwas, das bei einer Weltklasseorganisation wie dem WEF eigentlich «selbstverständlich» sein sollte.
Sollte tatsächlich ein Missbrauch stattgefunden haben, so hätte dieser auch schon längst ans Licht kommen sollen. Denn: «Schwab ist seit einem halben Jahrhundert im WEF engagiert.»
Was genau die Hintergründe des kontroversen Rücktritts sind, darüber kann auch Nobel nur mutmassen. «Vielleicht gab es schon länger ein unterschwelliges Zerwürfnis.»
Klar ist für den Anwalt jedoch: «Es ist offensichtlich, dass der 87-jährige Klaus Schwab seinen Abgang verpasst hat. Er hat wohl unterschätzt, was ein zu langes Verharren in einer Machtposition für Gegenkräfte freisetzen kann.»