Krankenkassen: Medi-Konzerne verlangen überrissene Geheim-Preise
Die Prämien der Krankenkassen würden vor allem wegen Arztbesuchen steigen, heisst es. Doch nun zeigt sich: Die Medizinal-Unternehmen tragen eine grosse Schuld.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Krankenkassen-Prämien steigen 2024 erneut stark an.
- Immer wieder heisst es, die Leute würden viel zu rasch den Arzt aufsuchen.
- Doch nun zeigt sich: Es gibt viel wichtigere Kostenfaktoren.
Die Kosten des Schweizer Gesundheitssystems steigen, und damit auch die Prämien für die Krankenkassen. Die Patienten werden oft als Schuldige dargestellt. Gesundheitsminister Alain Berset sagte bei der Verkündung des Prämien-Hammers: «Wir alle müssen uns immer wieder überlegen, ob ein Arztbesuch schon angezeigt ist.»
Doch es gibt auch andere Prämien-Kostentreiber, über die kaum gesprochen wird: Unternehmen, die medizinische Produkte wie künstliche Herzklappen oder Insulinpumpen herstellen zum Beispiel.
Das Problem: Diese Firmen verlangen oft Geheimhaltung bei den Preisen ihrer Produkte. Dies führt zu mangelnder Transparenz und ermöglicht es ihnen, ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Spitälern auszuspielen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Medtech-Industrie: Ein lukrativer Sektor
Die Medtech-Branche in der Schweiz macht jährlich einen Umsatz von neun Milliarden Franken. Das entspricht etwa zehn Prozent der gesamten Kosten des Schweizer Gesundheitssystems. Trotzdem wissen weder Bund noch Kantone genau über deren Geschäftspraktiken Bescheid.
Und auch die Tamedia-Journalisten sind bei ihrer Recherche auf eine Mauer des Schweigens gestossen, wie sie berichten. Sie konzentrierten sich dabei auf ein kleines Gerät namens Edora 8 DR-T – einen Herzschrittmacher.
Die Herstellungskosten liegen laut Experten unter 500 Franken pro Gerät. Doch was kostet das Gerät in den Schweizer Spitälern wirklich?
Anfragen an kantonale Gesundheitsämter und Spitäler blieben ohne Erfolg. Die typische Antwort: «Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir aus vertragsrechtlichen Gründen grundsätzlich keine Auskunft zu Produktpreisen geben können.»
Enorme Preisunterschiede
Die Recherche bringt dennoch Daten zum Edora 8 DR-T ans Licht. So beträgt die Preisspanne für das Produkt mehr als 10'000 Franken.
So zahlt man mal 2200 Franken dafür, wie etwa in Luzern oder Solothurn. Aber auch schon mal 9500 Frankem wie im Spital Thurgau oder 12'900 Franken wie im Tessin. Und selbst innerhalb einer Stadt wie Zürich variieren die Preise stark.
Krankenkassen bestätigten diese enormen Differenzen nach eigenen Nachforschungen. Dieter Siegrist von der Krankenkasse CSS sagt: «Hier bestehen allerdings sehr grosse Unterschiede, die mit diesen Faktoren allein nicht erklärbar sind.»
Die Preisunterschiede führen zu massiven Mehrkosten, die letztendlich von den Prämienzahlenden getragen werden müssen. «Das System funktioniert nicht. Der Markt spielt schon lange nicht mehr so wie in anderen Branchen», sagt Patrick Müller, Einkäufer am Kantonsspital Winterthur.
Die Spitäler zahlen für Medizinprodukte oft unterschiedliche Preise und bekommen dann den vollen Betrag von den Krankenkassen erstattet. Und das unabhängig davon, ob der Preis angemessen war oder nicht.
Grosses Spar-Potenzial für Prämien der Krankenkassen
Über die Auswirkungen dieser Preisdifferenzen auf die Prämien gibt es keine offiziellen Daten. Am Beispiel des Herzschrittmachers lässt sich aber das Potenzial erahnen: Wenn alle Spitäler zum niedrigsten Preis einkaufen würden, könnten pro Implantat 2600 Franken gespart werden.
Aufgerechnet auf die fast 8500 Implantationen von Herzschrittmachern im Jahr 2022 liegt das Sparpotenzial bei über 20 Millionen Franken. Und dies bei einem einzigen Gerät.