Schweiz erwartet von Taliban nach Versprechen «Taten»
Die Schweiz hat bei einem Treffen mit Vertretern der islamistischen Taliban in Genf «Taten» in Bezug auf Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verlangt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz hat sich mit einer Delegation der radikalislamischen Taliban getroffen.
- Dabei wurden Themen in Bezug auf Menschenrechte und humanitäre Hilfe besprochen.
- Botschafter Raphael Nägeli sagte, man werde die Taliban nach ihren Taten beurteilen.
Die Schweiz hat bei einem Treffen mit Vertretern der radikalislamischen Taliban in Genf «Taten» in Bezug auf Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verlangt. Die Taliban-Gruppe gab Sicherheitsgarantien ab für eine Wiedereröffnung des Kooperationsbüros in Kabul.
Die Gespräche mit der elfköpfigen afghanischen Taliban-Delegation seien «offen» und «ehrlich» gewesen, sagte der Leiter der Schweizer Delegation, Botschafter Raphael Nägeli, am Donnerstag vor Journalisten.
Der Chef der Abteilung Asien und Pazifik im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) betonte trotz des Ausbleibens konkreter Ergebnisse die Wichtigkeit des Treffens.
Die Taliban hätten am Treffen ihr Versprechen bekräftigt, Mädchen ab März nächsten Jahres eine öffentliche Schulbildung zu ermöglichen. «Wir erwarten von ihnen, dass sie dieses Versprechen einhalten», sagte der Schweizer Botschafter, «wir werden sie nach ihren Taten und nicht nach ihren Worten beurteilen».
Treffen soll keine Anerkennung der Taliban als afghanische Regierung darstellen
Das Angebot der Taliban, das Kooperationsbüro in Kabul möglicherweise mit Sicherheitsgarantien wieder zu eröffnen, nahm die Schweiz vorerst nicht an. «Alles hängt von der Entwicklung unserer Arbeit vor Ort und unserer Einschätzung der Sicherheitslage ab. Es ist noch zu früh, es gibt keinen unmittelbar bevorstehenden Plan», sagte der Botschafter.
Das Treffen in Genf seit Sonntag war «weder eine Legitimation noch eine Anerkennung» der Taliban als selbsternannte afghanische Regierung, sondern «eine Gelegenheit, Botschaften zu übermitteln», erklärte Nägeli weiter.
Die Schweiz habe ihre Erwartungen in Bezug auf die Menschenrechte, das humanitäre Völkerrecht und den Schutz der Zivilbevölkerung zum Ausdruck gebracht. Weitere Treffen waren vorerst nicht geplant.
Afghanischer Uno-Botschafter hatte die Schweiz gebeten, die Taliban nicht zu treffen
«Wir sind tief besorgt über Berichte von Entführungen und Vergeltungsmassnahmen gegen Personen, die mit der früheren afghanischen Regierung in Verbindung gebracht werden», sagte der Botschafter, «ebenso wie über die Gewalt gegen Menschenrechtsaktivisten, Frauen und Intellektuelle».
Der afghanische Uno-Botschafter in Genf, Nasir Andisha, hatte die offizielle Schweiz darum gebeten, die Taliban nicht zu treffen. Er hatte deren Aktivitäten wiederholt vor dem Menschenrechtsrat angeprangert.
Nach einem Treffen vor einigen Wochen mit mehreren Ländern in Oslo suchen die Taliban aktiv nach internationaler Anerkennung. Die Taliban-Delegation war am Sonntag auf Einladung der Nichtregierungsorganisation «Genfer Appell» in der Schweiz eingetroffen. Gespräche geführt wurden auch mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und den Ärzten ohne Grenzen.
4,7 Millionen Menschen leiden an schwerer Unterernährung
Die Taliban haben im August vergangenen Jahres die Macht in Afghanistan übernommen. Ihre Regierung wird jedoch international nicht anerkannt. Nach Angaben der Vereinten Nationen dürften in diesem Jahr 4,7 Millionen Menschen in Afghanistan an schwerer Unterernährung leiden, davon 3,9 Millionen Kinder. 131'000 Kindern drohe ohne zusätzliche Hilfe der Hungertod.
Die Schweiz leistete in Afghanistan im vergangenen Jahr Hilfe im Wert von insgesamt rund 60 Millionen Franken. Bern unterstützte die Aktivitäten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der Vereinten Nationen und von Nichtregierungsorganisationen. Für dieses Jahr sind Schweizer Hilfsgelder von mindestens 27 Millionen Franken vorgesehen.