Schweizer Jüdin trägt Davidstern nicht mehr in der Öffentlichkeit
Wegen der Eskalation im Israel-Krieg fühlen sich Schweizer Jüdinnen und Juden nicht mehr sicher. Ein Paar verzichtet deshalb sogar auf Davidstern und Kippa.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Angst vor antisemitischen Anfeindungen ist auch in der Schweiz präsent.
- Jüdische Menschen erzählen, wie sie mit der aufgeheizten Stimmung umgehen.
- Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund registriert deutlich mehr Judenhass-Fälle.
In den letzten Wochen kommt es in vielen Ländern immer wieder zu antisemitischen Vorfällen. Auch in der Schweiz nimmt der Hass auf jüdische Menschen zu. Das zeigt sich unter anderem in Form von Beschimpfungen oder Sprayereien.
In der «SRF»-Sendung «Rundschau» haben Schweizer Jüdinnen und Juden nun erzählt, wie sie sich hierzulande fühlen. Vorneweg: Die Sorge um die eigene Sicherheit ist bei ihnen gross.
So zum Beispiel bei Lisa und Igor, die zwei Kinder haben. Lisa trägt eigentlich immer eine Kette mit dem Davidstern – das sei jetzt anders, sagt sie: «Ich habe echt Angst momentan. Ich traue mich nicht, mit der Kette herumzulaufen.»
Sie verstecke das Schmuckstück deshalb unter dem T-Shirt oder unter dem Pullover. «Ich schaue immer, dass sie drin ist und dass sie nicht aus Versehen herausgerutscht ist.» Im Tram oder an der Universität, wo sie studiert, hätte sie sonst Angst. Nicht unbedingt vor physischer Gewalt, sondern vor Anpöbeleien oder vor dem Druck, sich rechtfertigen zu müssen.
«Leben seit dem 7. Oktober jeden Tag in Angst»
Lisa betont, dass Antisemitismus auch ganz leise sein kann. Beispielsweise, wenn Personen mit ihr reden und indirekt sagen, dass sie als Jüdin selbst schuld sei am Hass. «Das ist für mich auch Antisemitismus. Und ich glaube, das ist fast noch der gefährlichere als der laute, aggressive.»
Ähnliche Sorgen macht sich ihr Partner Igor, der seine Kippa deswegen auch nicht mehr trägt. Beim Vorbeigehen an Sprayereien oder an Pro-Palästina-Demos sehe man, wie schnell die Stimmung kippen könne. Die Juden seien dann wieder schuld und ihnen würde der Tod gewünscht.
Igor macht das zu schaffen. Er sagt: «Das ist dramatisch für uns und führt zu jener Angst, in der wir seit dem 7. Oktober jeden Tag leben.»
«Viele Leute distanzieren sich»
Auch Sam Friedman spürt die Folgen der Eskalation im Nahost-Konflikt. Als Geschäftsführer des Restaurants Al Giardino in Winterthur und FCZ-Fan steht er ohnehin in der Öffentlichkeit. «Die Leute in Zürich wissen, dass ich jüdisch bin, auch in der Zürcher Südkurve. Überall wo ich bin, wissen es die Leute», sagt er in der «Rundschau».
Er erwarte von jemandem, der ihn als Freund bezeichnet, dass er sich jetzt meldet und fragt, ob mit seiner Familie alles okay sei. Stattdessen wenden sich solche Menschen neuerdings von ihm ab: «Viele Leute distanzieren sich im Moment. Viele Leute melden sich nicht mehr.»
Friedman macht sich wegen der Zunahme von Antisemitismus-Fällen ebenfalls Sorgen – nicht zuletzt aus persönlicher Erfahrung: «Meine beiden Grossmütter waren in Auschwitz. Ich werde alles machen, dass das nie wieder passiert.»
41 Meldungen seit 7. Oktober
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund registriert zuletzt mehr Antisemitismus-Fälle. Seit dem 7. Oktober sind laut Präsident Ralph Lewin 41 Meldungen eingegangen, das sind mehr als die Hälfte des gesamten letzten Jahres.
Besonders krass zeigt sich die Hasswelle bei den Tätlichkeiten. «Bezüglich Antisemitismus haben wir vier Tätlichkeiten, sonst haben wir manchmal ein Jahr ganz ohne Tätlichkeit.» Konkret werden die Leute laut Lewin beispielsweise angespuckt. Antisemitische E-Mails oder Schmierereien seien zurzeit ebenfalls zahlreich.
Lewin zeigt «SRF» einige Beispiele von Hassbotschaften, die Juden erhalten. Darin stehen Dinge wie: «Ich freue mich über die Sonderbehandlung der Juden durch die Hamas. Ich hoffe, es gibt noch mehr.»