Gastbeitrag FDP-Michel: Mobility Pricing braucht mehr Schub aus Bern
Städte und Kantone sind bereit für Pilotprojekte mit Mobility Pricing. Doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen auf sich warten, klagt Matthias Michel.
Das Wichtigste in Kürze
- Mobility Pricing könnte gegen überfüllte Züge und Strassen zu Stosszeiten helfen.
- Schweizweit sind dazu Pilotprojekte in fünf Städten geplant.
- Der Bund soll dabei Gas geben, fordert FDP-Ständerat Matthias Michel im Gastbeitrag.
Das Problem ist bekannt: Strassen sowie Busse und Züge sind überfüllt, aber nur zu den Verkehrsspitzenzeiten morgens und abends. Im Tagesdurchschnitt gibt es noch viel Luft beziehungsweise Raum in unseren Verkehrsinfrastrukturen. Bevor für teures Geld und Landschaftsverschwendung neue gebaut, müssten bestehende besser genutzt werden. Es liegt somit im Interesse aller – der mobilen Bevölkerung wie der Umwelt – die Verkehrsspitzen zu glätten.
Zug geht voran
Gestützt auf Vorarbeiten des Bundes wurde im Kanton Zug eine Analyse der Wirkungen eines theoretischen Modells von Mobility Pricing durchgeführt: Wie kann mit preislichen Massnahmen eine bessere Verteilung des Verkehrs über den ganzen Tag erreicht werden? Diese Analysen haben gezeigt, dass Mobility Pricing einen wesentlichen Beitrag zum Glätten von Verkehrsspitzen in verkehrlich stark belasteten Agglomerationen leisten kann. Doch das wurde bisher nur theoretisch auf Papier errechnet. Es interessiert, ob solche Modelle in der Praxis funktionieren. In den Städten Biel, Frauenfeld und Genf sowie den Kantonen Aargau und Zug könnten Pilotversuche stattfinden. Doch Bern bremst.
Bund hinkt hinterher
Erst drei Jahre nach Vorliegen des Zuger Wirkungsberichts gibt der Bund nun grünes Licht für fünf Machbarkeitsstudien, um die Vor- und Nachteile von Mobility Pricing vertieft zu prüfen. Doch das ist ein zu schwacher Schritt. Denn erst nach Vorliegen dieser Ergebnisse, sollen dann Pilotprojekte möglich werden. Und die dazu notwendigen gesetzlichen Grundlagen müssten noch entwickelt werden, so gemäss der bundesrätlichen Antwort auf eine Interpellation des Luzerner Nationalrats Töngi.
Statt diese Gesetzesberatung nun parallel zu den Machbarkeitsstudien voranzutreiben, wird hier gebremst: Vor zwei Jahren hat das federführende Departement (UVEK) eine Vorlage in die Vernehmlassung geschickt; die Ergebnisse sind noch nicht bekannt, geschweige denn eine Vorlage ans Parlament. Da bräuchte es mehr Schub für zukunftsweisende Verkehrspolitik.
Erfolgsfaktoren
Die grosse Frage ist, ob mit Mobility Pricing die Mobilität für die Nutzenden teurer wird, das heisst, ob wir insgesamt für dieselbe Kilometerleistung auf Strasse oder Schiene mehr bezahlen müssen. Oder ob es insgesamt keine Mehrbelastung gibt, diese einfach anders verteilt wird (zu Spitzenzeiten wird es teurer, ausserhalb günstiger).
Diese Grundfrage muss geklärt sein, sonst wird das Ganze blockiert: Nicht nur Bürgerliche hätten sonst Vorbehalte, auch linke Kreise befürchten, dass sich für Tiefverdienende die Fahrt an den Arbeitsplatz oder generell die Mobilität verteuert. Doch leider findet man diesen Grundsatz der Kostenneutralität, dass also insgesamt mit einem neuen Preismodell nicht mehr Einnahmen generiert werden sollen, nirgends. Jedenfalls nicht in dem vorgeschlagenen Gesetz.
Dabei hat gerade die Zuger Wirkungsanalyse gezeigt, dass es geht: Mit dem Mobility Pricing könne die Überlastung der Strecken auf Strasse und Schiene deutlich verringert werden; gleichzeitig sei es möglich, das System einnahmenneutral auszugestalten, das heisst die Einnahmen bleiben etwa auf dem bisherigen Niveau.
Die Analyse legte damit dar, dass die beiden Ziele von Mobility Pricing – Lenkung und Finanzierung – kein Widerspruch sind, sondern bei entsprechender Ausgestaltung des Modells beides erreicht werden kann. Win-win also. Zug hat den Weg gezeigt. Der Bund soll endlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, damit nach den Machbarkeitsstudien die Piloten umgehend abheben können.
Zum Autor: Matthias Michel, Ständerat, FDP (Zug). Die Liberalen. Ausgebildet als Rechtsanwalt/Mediator, politische Erfahrung als Zuger Kantons- und Regierungsrat, wohnhaft in Oberwil/ZG mit Ehefrau und vier Kindern.