Glättli (Grüne): Massentierhaltung funktioniert nur über Verdrängung
Allen Werbefotos von glücklichen Tieren zum Trotz gibt es Massentierhaltung. Grünen-Präsident Balthasar Glättli erklärt seine Haltung im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Volksinitiative verlangt den Ausstieg aus der Massentierhaltung.
- Innert 25 Jahren soll die Massentierhaltung ganz verboten werden.
- Balthasar Glättli (Grüne) schreibt, warum das für die meisten Bauern sogar ein Gewinn ist.
Niemand findet Massentierhaltung gut. Massentierhaltung funktioniert eigentlich nur über Verdrängung.
Wir verdrängen, dass Massentierhaltung Würde und Wohl unserer Nutztiere verletzt. Wir verdrängen, dass Massentierhaltung gegen unser ureigenes ethisches Empfinden verstösst.
Chris von Rohr hat recht, wenn er sagt: «Eine Gesellschaft definiert sich auch dadurch, wie sie ihre Tiere behandelt, und darum sollten wir uns für die Initiative starkmachen.» Darum haben die Grünen die Initiative gegen die Massentierhaltung schon von Anfang an unterstützt.
Die Massentierhaltungsinitiative fordert kein Verbot der bäuerlichen Tierhaltung. Tierhaltung gehört zu einem Grasland wie der Schweiz. Milch- und Viehwirtschaft waren über Jahrhunderte Existenzgrundlage in den voralpinen und alpinen Gebieten. Sie können und sollen auch in Zukunft ein prägendes Element unserer ländlichen Kulturlandschaften sein.
Massive Futtermittelimporte
Heute aber zwingt die Massentierhaltung im industriellen Stil die Schweiz zu massiven Futtermittelimporten. Pro Jahr importieren wir 1,4 Millionen Tonnen Futtermittel, darunter über 100'000 Tonnen Soja aus Brasilien. Wir fressen also buchstäblich massiv über den Zaun. Wegen der Massentierhaltung überdüngen wir die eigenen Böden und Gewässer zulasten von Gesundheit und Biodiversität.
Und wegen der Massentierhaltung trägt die Landwirtschaft massiv zum viel zu hohen Ausstoss von Treibhausgasen bei. Der Bund subventioniert heute mit Steuergeld den Schweizer Fleischabsatz. Dabei sollten wir eigentlich nicht länger von Schweizer Fleisch sprechen, wenn das Futter in Tat und Wahrheit importiert wurde!
Nur 7 Prozent der Masthühner sehen je den Himmel
Wir Grünen wollen nicht, dass die Schweiz ein Land bleibt, in dem fast die Hälfte der Masthühner in industriellen Betrieben mit über 12'000 Tieren lebt. Wir Grünen wollen nicht, dass die Schweiz ein Land der Qualzucht bleibt, in dem 4 Prozent der ausschliesslich auf maximale Fleischproduktion gezüchteten Mastküken schon vor der Schlachtung verenden und in dem wegen der Eierproduktion die männlichen Küken zu Biogas verarbeitet werden.
Mit einem Ja zur Massentierhaltungsinitiative können die Stimmberechtigten verhindern, dass die Schweiz ein Land bleibt, das so intelligenten und sensiblen Tieren wie Schweinen nur 0,9 Quadratmeter zum Leben zugesteht, oft in kahlen Betonbuchten ohne Tageslicht und ohne frische Luft.
Werbung und Wirklichkeit
Die PR-Kampagnen der Grossverteiler und der Agrarlobby zeigen ein Huhn, das am Schluss sein frisches Ei noch selbstständig im Laden legt. Das blendet die wahnwitzige Zahl von 70 Millionen Masthühnern aus, die wir jährlich schlachten.
Die Massentierhaltungsinitiative nimmt das Versprechen der heutigen idyllischen Werbung ernst. Sie sorgt dafür, dass wir schrittweise zu einer Tierhaltung kommen, die sich nicht länger verstecken muss.
Die Initiative verbietet Quälimporte
Die Gegner der Initiative sagen, dass die Tierschutzbestimmungen andernorts zum Teil deutlich schwächer sind. Das stimmt. Aber das macht unsere industrielle Tierhaltung überhaupt nicht besser. Die Initiative regelt zudem konsequenterweise auch den Import. Importiertes Fleisch soll künftig die gleichen Standards erfüllen wie Schweizer Fleisch. Damit wird der Umgehung auf Kosten der einheimischen Bäuerinnen und Bauern ein Riegel geschoben.
25 Jahre Zeit zur Umstellung
Mit einer langen Umsetzungsfrist von 25 Jahren ermöglicht es die Massentierhaltungsinitiative, schrittweise auf eine neue Tierhaltung umzustellen, die dem Respekt fürs Tierwohl und dem Grasland Schweiz wirklich entspricht. Viele Bäuerinnen und Bauern leben übrigens diese Realität schon heute. Sie zeigen, dass Fleisch ohne institutionalisierte Tierquälerei produziert werden kann. Und sie haben auch nichts zu befürchten.
Gemäss dem Bundesrat wären nur rund 5 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe überhaupt von der Initiative betroffen. Dazu gehören vor allem die grossen, fabrikähnlichen Mastbetriebe, die bis zu 27’000 Hühner, 1500 Schweine oder 300 Rinder in einem einzigen Stall halten.
Sagen wir Ja zum schrittweisen Ausstieg aus der Massentierhaltung und Ja zu einer Landwirtschaft mit Respekt vor dem Tierwohl.