Mietrechtsvorlagen: Fakten versus Polemik!
Hans-Ulrich Bigler äussert sich in seiner Kolumne zu den beiden Mietrechtsvorlagen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 24. November 2024 stimmt die Schweiz über zwei Vorlagen zu Mietrechts-Änderungen ab.
- Hans-Ulrich Biglers Empfehlung: Zweimal Ja zu diesen beiden Vorlagen.
Der deutsche Kulturphilosoph Friedrich von Schlegel brachte es trefflich auf den Punkt: «Wenn Verstand und Unverstand sich berühren, so gibt es einen elektrischen Schlag. Das nennt man Polemik.» So kommt einem momentan die Diskussion rund um die beiden Mietrechtsvorlagen vor, über die wir im November abstimmen.
Erstaunliches Vokabular
Das Vokabular der Gegner ist gelinde gesagt erstaunlich. Befürworter sind «grösster Spaltpilz der Nation». Von einer imaginären «Immo-Lobby» ist die Rede. Mieter werden rausgeworfen, Mieten erhöht, ohne Belege ist die Rede von «gesetzeswidrigen Renditen». Kurz, da errichten die Gegner einmal mehr das üble Narrativ der Neidkultur.
Notwendigkeit von Wohnraum unbestritten
Zunächst ein Schritt zurück für eine nüchterne Lagebeurteilung. Wer unvoreingenommen auf den Wohnmarkt blickt, erkennt unschwer die Notwendigkeit der Schaffung von mehr Wohnraum.
Konkret geht es um bessere Nutzungsmöglichkeiten für bestehende Wohnflächen, den Abbau von Überregulierung und Bürokratie sowie die Förderung von notwendigen Neubauten.
Gleichermassen sollen faire Regeln, Rechtssicherheit und weniger Einschränkungen die Wohnungsknappheit lindern und einen funktionierenden Wohnungsmarkt gewährleisten.
Staatliche Eingriffe verhindern, faire Bedingungen schaffen
Diese Ziele stehen im Gegensatz zu den Absichten der Gegner der beiden Mietrechtsvorlagen.
Die referendumsführende Allianz verfolgt eine klare Agenda: die schrittweise Verstaatlichung der Wohnbaupolitik und des Bodens. Die kommende Abstimmung steht deshalb nicht nur für kleine, vernünftige Anpassungen im Mietrecht, sondern auch für eine Weichenstellung in der Wohnraumpolitik.
Es geht darum, übermässige staatliche Eingriffe zu verhindern und gleichzeitig faire Bedingungen für alle Beteiligten zu schaffen.
Überhöhte Preise bei Untermieten
Und damit konkret zur Vorlage der Untermiete. Bekannt ist, dass es auf dem Schweizer Wohnungsmarkt bei Untermieten immer wieder zu missbräuchlichen Praktiken kommt. Einige Mieter untervermieten ihre Wohnungen teilweise über Jahre zu überhöhten Preise an ahnungslose Untermieter. Die nutzen so die Wohnungsknappheit aus, um sich persönlich zu bereichern.
Airbnb? Vermieter weiss von nichts
Andere untervermieten ihre Wohnungen auf Plattformen wie zum Beispiel Airbnb – ohne dass der Vermieter davon eine Ahnung hat, die heute vorgegebene Informationspflicht wird oft nicht wahrgenommen.
Diese Praktiken führen in vielen Städten und Tourismusregionen zu einer weiteren Verknappung und Verteuerung des ohnehin begrenzten Wohnraums.
Neu benötigt die Untermiete deshalb ein schriftliches Gesuch des Mieters und eine schriftliche Zustimmung des Vermieters. Die Voraussetzungen werden präzisiert: Nicht zustimmen muss der Vermieter neu, wenn eine Dauer von mehr als zwei Jahren vorgesehen ist.
«Dringender Eigenbedarf» sorgt für Unsicherheiten
Ebenso mit Augenmass wurden in der zweiten Vorlage die Regelungen für den Eigenbedarf präzisiert. Wer heute eine Wohnung oder ein Geschäftslokal erwirbt, kann ein bestehendes Mietverhältnis nur dann ausserordentlich kündigen, wenn er dringenden Eigenbedarf für sich oder nahe Verwandte geltend machen kann.
Diese Formulierung «dringender Eigenbedarf» sorgt jedoch häufig für Unsicherheiten und langwierige Gerichtsverfahren. Die heute unpräzisen Bedingungen werden formell leicht angepasst, neu muss der Eigenbedarf bei objektiver Betrachtung bedeutend und aktuell sein.
Zur Illustration der Problematik zwei Beispiele. Eine Familie hat eine behindertengerechte Wohnung in der Nähe der Betreuungsstätte für ihr Kind mit Behinderung gekauft, da die derzeitige Wohnung ungeeignet ist.
Der bestehende Mietvertrag der neu erworbenen Wohnung läuft jedoch noch mehrere Jahre, weshalb die Familie auf die ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit angewiesen ist, um ihr neues Zuhause nutzen zu können. Andernfalls müssten sie jahrelang warten, bis sie einziehen können.
Ein Gewerbebetrieb stösst in seinen aktuellen Produktionshallen an seine Kapazitätsgrenzen und benötigt dringend zusätzlichen Raum für eine Erweiterung. Der benachbarte Eigentümer ist bereit, einen Teil seines Grundstücks zu verkaufen, auf dem jedoch eine Halle steht, die an einen Hobby-Schrauber vermietet ist. Der Mietvertrag läuft noch acht Jahre, doch der Betrieb kann nicht so lange warten, da er sonst seine Stammkunden verliert.
Der Betrieb ist daher auf die ausserordentliche Kündigungsmöglichkeit aufgrund bedeutendem und aktuellem Eigenbedarf angewiesen, um die Erweiterung rechtzeitig durchführen zu können.
Schnelle und effiziente Lösung
Dank der beschlossenen Präzisierung können solche Fälle schneller und effizienter gelöst werden. Der Mieterschutz bleibt dabei bestehen. Mieter können Kündigungen wegen Eigenbedarfs nach wie vor gerichtlich anfechten und eine Erstreckung des Mietverhältnisses um bis zu vier Jahre bei Wohnungen und bis zu sechs Jahre bei Geschäftsräumen beantragen.
Die Bundesverfassung hält klar fest: «Das Eigentum ist gewährleistet». Zweimal Ja zu diesen beiden Mietrechtsvorlagen ist ein deshalb Ja zum Schutz des Eigentums, zu einer liberalen Wohnungspolitik und zu mehr Rechtssicherheit.
Oder kurz und bündig: gegen Missbrauch und für faire Regelungen.
Zur Person: Hans-Ulrich Bigler ist Ökonom und war von 2008 bis 2023 Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV). Er ist im Vorstand mehrerer Verbände, darunter auch das Nuklearforum Schweiz, und sass von 2015 bis 2019 für die FDP im Nationalrat. Heute ist Bigler SVP-Mitglied.