Rolf Knie: Darf man über Kleinwüchsige in Manege lachen? Ja!
Wir werden durch politisch korrektes Denken völlig fehlgeleitet, findet Rolf Knie. Eine Kolumne über die Kleinwüchsigen in der Zirkuswelt.
Das Wichtigste in Kürze
- Kleinwüchsige seien stolz, wenn sie in der Manege arbeiten können, schreibt Rolf Knie.
- Deshalb sollten die Zuschauer auch über sie lachen dürfen.
- Der Künstler Rolf Knie schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
Die fehlgeleitete Moral vom politisch korrekten Denken beschäftigt mich sehr. Dabei kommt mir immer wieder ein Beispiel in den Sinn: Früher hatte es bei uns im Zirkus Knie immer Zwerge oder Liliputaner, heute nennt man sie kleinwüchsige Personen.
«Du gehörst zu uns in den Zirkus»
Als ich noch im Zirkus arbeitete, hatte auch ich immer Kleinwüchsige bei mir in der Clown-Nummer. Sie waren bei den Zuschauern sehr beliebt. Einer hiess Horst. Jedes Jahr, am Ende der Saison, fragte er mich: «Aber gell, Rolfi, nächstes Jahr bin ich wieder mit dir in der Manege?»
Ich beruhigte Horst und sagte ihm dann immer: «Natürlich, lieber Horst. Du gehörst zu uns in den Zirkus.» Diese Worte machten ihn unheimlich stolz.
Dann verstarb unser Peter Wetzel, bekannt als Clown Spidi. Er wählte 2018 leider den Freitod. Spidi gehörte während 24 Jahren zur Zirkusfamilie. Sein Tod zog ein riesiges Echo nach sich: Er kam in der Tagesschau, und zwar so prominent, wie wenn ein Bundesrat gestorben wäre.
Für mich ist klar: Spidi hat sicher darunter gelitten, dass er nicht selbst in der Manege auftreten konnte. Deshalb kam er dann noch ein paar Jahre zu Salto Natale. Ich habe ihn damals wieder integriert.
Kleinwüchsige sind stolz, wenn sie in der Manege arbeiten können. Das ist ihr Beruf. Wir waren auch lange eine eingespielte Truppe: Gaston, ein Kleinwüchsiger und ich.
Über Gaston und mich durften die Zuschauer lachen. Nicht aber über den Kleinwüchsigen? Dabei ist doch die Rolle des Clowns um Himmels willen sein Beruf. Und seine Aufgabe, seine Liebe!
Falls man dann trotzdem lacht, kommen vielen mit ihrem politisch korrekten Denken und schreiben vor, dass man über eine kleinwüchsige Person nicht mehr lachen darf.
Von Tuten und Blasen keine Ahnung
Wenn man die Kleinwüchsigen aus der Manege verbannt, zieht man ihnen den Boden unter den Füssen weg. Man behindert sie, ihren Beruf richtig auszuüben. Wie dumm ist das denn?
Leute fragen mich heute noch, weshalb wir am Eingang keinen Kleinen mehr haben. Ich erinnere mich spontan an eine Schlagzeile in der Zeitung: «Kann man Kleinwüchsige im Zirkus noch zeigen?» Solch einen dummen Titel habe ich vorher noch nie gelesen.
Das sind Meinungen von Leuten, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Es gibt viele kleinwüchsige Menschen, die gut integriert sind und ein erfülltes, erfolgreiches Leben führen. Im Zirkus wird die Grösse einer Person nicht nach Zentimetern gemessen.
Wir werden durch politisch korrektes Denken völlig fehlgeleitet. Das kann gefährlich sein. Keiner will sich heutzutage mehr kritisch äussern: Aus Angst, an den Pranger gestellt zu werden, neudeutsch «Shitstorm».
Aber alles, was nicht offen und ehrlich diskutiert wird, bleibt im Hals stecken – und irgendwann explodiert es. Ich jedenfalls habe die Moral-Diktatur statt.